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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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im zweiten Stock.«
    »Und wenn sie nicht dort sind?«
    »Joco liegt im Bett. Grymonde hat ihm die Rippen gebrochen. Er wird da sein.«
    Tannhäuser starrte ihn an. Der Papst kniff die Augen zusammen. Er versuchte immer noch, einen letzten, geheimen Sieg zu erringen. Petit Christian. Christian wusste von der Truanderie. Grégoire war ihm dorthin gefolgt. La Fosse hatte gesagt, dass »die« nicht wüssten, wo sie Carla finden konnten, aber das war irgendwann um die Mittagszeit gewesen. Jetzt wussten sie es.
    »Wie lange weiß Christian schon, wo Carla ist?«
    Paul schaute ihn mit der Wut der tiefsten Demütigung an.
    »Ich habe darauf gewartet, dass Ihr zu dieser Tür hereinkommen würdet, Mann. Ich wollte Euch alles erzählen. Ich hätte dafür keinen einzigen Kupferpfennig verlangt.«
    »Das weiß ich. Soll ich jetzt mit Euren Daumen anfangen?«
    »Christian ist vor über einer Stunde hier weggegangen.«
    Tränen traten Paul in die Augen und rollten ihm über die blutigen Wangen.
    Er schluchzte verzweifelt auf. »Wo es keine Männer gibt, sei ein Mann.«
    Tannhäuser sagte: »Hillel.«
    Von Hillel zu Sabato Svi.
    Zu Tannhäuser.
    Zu Carla.
    Zu Grymonde.
    »Grymonde hat den Rabbi zitiert, nicht wahr?«
    Pauls Tränen versiegten. Er schaute ihn an.
    »Er sagte, deswegen wollte er Euch finden. Nur darum habe ich ihm gesagt, wie er das machen konnte.«
    »Seid Ihr Jude?«
    »Glaubt Ihr, sie würden einen Juden da sitzen lassen, wo ich sitze? Ich kannte einmal einen Juden. Der hat mir einige wissenswerte Dinge beigebracht. Die meisten habe ich absichtlich wieder vergessen.«
    »Da haben wir etwas gemeinsam.«
    Tannhäuser zog den Dolch aus Pauls Fett. Er wischte ihn ab und steckte ihn in die Scheide.
    »Wir haben noch mehr gemeinsam«, sagte Paul. »Wir mögen Marcel Le Tellier nicht.«
    Selbst in seinem Zustand machte Papst Paul noch Schachzüge, die ihn überdauern würden. Tannhäuser grinste voller Bewunderung. Er setzte sich.
    »Woher kennt Ihr Le Tellier?«, fragte Paul.
    »Ich habe ihn nie gesehen. Heute habe ich zum ersten Mal von ihm gehört.«
    »Marcel will Carla unbedingt in die Hände bekommen. Ich weiß nicht warum.« Paul deutete mit dem Kopf auf das blutige Schlachtfeld im Gastraum. »Obwohl es, wie Ihr gewiss zu schätzen wisst, immer eine gute Sache ist, reinen Tisch zu machen. Dafür gibt er einen Haufen Geld aus und geht viele Risiken ein, aber das Châtelet mit all seinen Möglichkeiten kann er nicht einsetzen, jedenfalls nicht unmittelbar. Das könnte er vor denen, die nur zu gern sein Amt übernehmen würden, nicht geheim halten. Sie würden es gegen ihn verwenden, um ihn zu stürzen. Catherine de Medici wird diesen Krieg zum Vorteil ihres Sohnes nutzen, obwohl sie ihn nicht wollte. Aber sie wird keinen Polizeichef tolerieren, der die Mittel des Châtelet dazu einsetzt, ihren Feinden zu helfen. Niemand istmehr Sklave des Staates als ein Polizist. Catherines Zwerge würden sonst innerhalb einer Woche Marcels Kopf als Fußbänkchen benutzen.«
    Tannhäuser sagte: »Die Pilger.«
    »Garnier, Crucé, Brunel, Sarrett – vielleicht auch noch andere Bruderschaften.«
    »Die Pilger würden Carla für Le Tellier ermorden?«
    »Kein Mord, eine Gnadentat. Die Rettung einer katholischen Dame aus den Händen eines schrecklichen Feindes. Des Infanten von Cockaigne. Heute fühlen sie sich ohnehin wie eine Leibgarde. Die Hauptmänner werden die Gelegenheit nur zu gern ergreifen. Und dann ist sie in Le Telliers Hand. Er hat einen Sohn …«
    »Dominic.«
    »Der hat auch geheime Helfer, bestechliche Garden. Mehr als genug Leute, um sie tot oder lebendig zu ergreifen. Grymonde rechnet nicht mit einem Angriff. Er glaubt nicht daran. Er ist der König von Cockaigne. Der mächtige Infant. Er ist verrückt. Aber in Wirklichkeit ist sein Reich nur eine Räuberhöhle, ein Unkrautbeet, das niemand umgraben will.«
    »Wird Marcel selbst den Angriff anführen?«
    »Marcel ist kein Krieger. Und er wird den Pilgern ihren Ruhm nicht stehlen wollen. Der wird nämlich ihre einzige Belohnung sein, und sie sind fromm genug, um das für ausreichend zu halten.«
    »Eure Banditen sollten mich lebendig ergreifen.«
    »Es gab dafür sogar eine großzügige Prämie«, sagte Paul. »Le Tellier hat wohl noch etwas mit Euch vor.«
    »Wenn er nicht an seine eigene Hinrichtung denkt, kann ich mir nicht vorstellen, was das sein könnte.«
    »Ich an seiner Stelle könnte mir sehr viel ausmalen«, sagte Paul. »Zum Beispiel würde ich Euch einen

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