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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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bebte.
    »Ich liebe Gott nicht«, erwiderte Tannhäuser. »Und ich mache schon etwas Anständiges. Ich sorge für meine Familie.«
    »Ich habe auch für Eure Familie gesorgt.«
    Darauf konnte Tannhäuser keine passende Antwort finden. Arnaulds Augen bohrten sich in seine.
    »Außerdem habt Ihr mir ewige Freundschaft geschworen und mir angedeutet, das könnte ein ›Schatz‹ sein. Jetzt fordere ich meinen Schatz ein. Ich berufe mich auf Eure Freundschaft. Nehmt diesen Jungen mit und beschützt ihn. Wie Ihr mich schützen würdet.«
    Tannhäuser schaute zu Juste, der zu Boden starrte.
    »Juste«, sagte er.
    Der Junge erhob die Augen zu Tannhäusers Brust, nicht weiter.
    »Du machst genau, was ich dir sage und sobald ich es sage.«
    »Ja, Sire.«
    »Im Zweifelsfall folge Grégoire.«
    Juste schaute den missgestalteten Jungen an und nickte. »Ja, Sire.«
    »Ich dulde kein Jammern und kein calvinistisches Geschwätz. Wenn dir der Sinn danach steht, ein Märtyrer zu werden, dann bleib hier.«
    »Ich möchte nicht, dass Ihr mich für einen Feigling haltet, Sire. Und doch will ich leben.«
    »Dann lasst uns zeigen, was in uns steckt, ehe Arnauld mich bittet, Wasser in Wein zu verwandeln.«
    Niemand fand das komisch, und so lachte Tannhäuser allein.
    Arnauld führte sie weiter. Sie näherten sich den drei Wachen am Tor. Tannhäuser berührte den Griff seines Dolches mit dem Ellbogen. Mit Orlandu auf der Schulter würde er sehr viel langsamer sein. Aber andererseits würden die Wachen auch nicht erwarten, von einem Mann, der einen anderen trug, angegriffen zu werden.
    »Juste, nimm Grégoire bei der Hand und lass nicht los.«
    Tannhäuser wollte die Führung übernehmen, doch Arnauld warf ihm einen Blick zu und überholte ihn.
    »Öffnet die Tore, im Namen von Anjou!«
    Zwei Wachsoldaten und der Sergeant der Wache standen stramm. Sie musterten die Gruppe misstrauisch.
    »Darf ich mir die Frage erlauben, zu welchem Zweck, mein Herr von Torcy?«
    »Lombarts, nicht wahr?«
    »Ja, mein Herr.«
    »Wie Ihr sehen könnt, Lombarts, wurde der Lieblingspage Seiner Hoheit des Duc d’Anjou verletzt, während er half, den Aufstand niederzuschlagen.«
    Tannhäuser entnahm Lombarts’ Reaktion, dass der nun Orlandu für einen Sodomiten hielt.
    »Dieser gelehrte Wundarzt und Ritter von Malta muss den unglückseligen Pagen zu Ambroise Paré, dem Chirurgen des Königs, ins Hôtel de Béthizy bringen, ehe der geliebte Page seiner Hoheit verscheidet.«
    »Wie meinen, mein Herr?«, fragte Lombarts.
    »Ehe er stirbt«, blaffte Arnauld. »Wenn er stirbt, müssen wir uns alle dafür verantworten, und besonders schwere Schuld wird auf den Mann fallen, der uns den Weg versperrt hat. Jede Minute, die verrinnt, bedroht sein Leben mehr.«
    Tannhäuser starrte Lombarts finster an.
    »Und dann könnt Ihr auch gleich«, fuhr Arnauld fort, »einen Eurer Männer abstellen, um den Kranken zu tragen.«
    Er deutete auf den stämmigeren Wachsoldaten, einen Korporal.
    Tannhäuser segnete Arnauld für diesen unerwarteten Streich. Arnauld schaute ihn an und sagte: »Gut genährt wird man im Palast, wie Ihr seht.«
    Ehe Lombarts Widerspruch einlegen konnte, schritt Tannhäuser zu dem Korporal und hievte sich Orlandu von der Schulter. Der Korporal stöhnte, als der Kranke in seinen Armen landete. Lombarts schaute zu den beiden Jungen, die einander an der Hand hielten.
    »Der Schwachsinnige und sein Betreuer gehen auch mit«, fügte Arnauld hinzu.
    Grégoire begann ein Ave Maria zu brabbeln. Lombarts befand, dass er seine Pflicht mehr als erfüllt hatte. Er hakte sich die Schlüssel vom Gürtel und schloss das Tor auf, das aus dem Louvre herausführte.
    Tannhäuser machte eine Handbewegung zu Grégoire und Juste, und die beiden gingen hinaus. Der massige Korporal folgte ihm, Orlandu auf den Armen. Arnauld streckte die Hand aus. Tannhäuser ergriff sie, drückte sie und schaute dem Mann mit einem Einverständnis in die Augen, wie es kaum zwei Stunden zuvor noch nicht existiert hatte.
    »Danke, Arnauld.«
    »Wir sind quitt. Ich bete, dass Ihr Eure Frau in Sicherheit findet. Gott mit Euch.«
    Tannhäuser schaute in die tiefe Finsternis jenseits der Fackeln.
    »In einer solchen Nacht verlasse ich mich lieber auf den Teufel.«

TEIL II

FINSTERE NÄCHTLICHE TATEN
ABSCHEULICHE VERBRECHEN



KAPITEL 7

I M B LUTRAUSCH
    Schwer wie Blei lag die feuchte Hitze Tannhäuser auf der Brust. Schweiß rann ihm über Stirn und Körper. Er ging auf den Lichtschein zu, der aus dem

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