Die böse Brut
still.«
»Gut.« Die Tierärztin atmete auf. Sie hatte schon befürchtet, dass sich die vier Verfolger im Garten aufhielten. Natürlich konnte sie nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie sich nicht in der Nähe aufhielten, doch darüber wollte sie sich erst gar nicht den Kopf zerbrechen, weil der Junge in diesem Fall viel wichtiger war.
Maxine schaute ihn wieder an. Er tat nichts mehr, denn auch seine Hände unter der Decke waren zur Ruhe gekommen. Trotzdem hätte sie gern erfahren, warum er sie so unkontrolliert bewegt hatte. Er blieb weiterhin verstockt und in sich gekehrt. Nicht dass sie Dankbarkeit erwartet hätte, aber ein wenig Entgegenkommen wäre schon von Vorteil gewesen.
»Bitte, Damiano, du musst Vertrauen zu uns haben. Wir wollen dir wirklich nichts. Wir wollen dir einfach nur helfen, und das solltest du akzeptieren. Wir sind deine Freunde und stehen auf deiner Seite, was immer du auch an Schlimmem mitgemacht hast.«
Er schwieg auch weiterhin. Aber er dachte nach Das nahm die Tierärztin an, denn er bewegte seine Augen und zog auch seine Stirn kraus.
Da er weiterhin schwieg, griff auch Carlotta ein. Sie löste sich aus der schattigen Stelle und trat langsam in die Nähe des Betts, neben dem sie stehen blieb. Ihr Blick war ebenfalls auf Damiano gerichtet, und in ihren Augen stand die Aufforderung, endlich etwas zu sagen.
Maxine ließ ihre Ziehtochter in Ruhe. Sie schaute zu, wie sich Carlotta nach vorn beugte. Zuvor war sie bis an das Kopfende getreten. Sie streckte die Hände aus und streichelte sanft das Gesicht des Jungen, als wollte sie durch den Körperkontakt ein gewisses Vertrauen herstellen. Sie beugte sich dabei sehr tief hinab und schaute ihm geradewegs in die dunklen Augen.
»Damiano, Maxine hat Recht. Wir wollen dir nur helfen, und ich bin es gewesen, die dein Stöhnen gehört hat. Ich habe mich nicht geirrt. Du hast gestöhnt.« Sie streichelte noch mal mit den Fingerknöcheln über seine Wangen hinweg. »Bitte, zu mir kannst du Vertrauen haben. Wir wollen dich doch beide beschützen...«
Bisher hatte der Junge nicht reagiert. Das aber änderte sich, als das Vogelmädchen eine Pause einlegte. Plötzlich senkte er den Kopf so weit, dass sein Kinn beinahe die Brust berührte, und im nächsten Moment flüsterte er die Worte.
»Es tut so weh...«
»Was tut weh?«
»Alles...«
»Dein Körper?«
»Ja.«
Carlotta schaute die Tierärztin an. Als Maxine nickte, nahm sie die Aufforderung wahr und sprach weiter. »Bist du vielleicht verletzt worden? Hat man dir was angetan?«
»Weiß nicht.«
Beide sahen, dass er wieder die Hände unter der Bettdecke bewegte. Er hatte sie bewusst versteckt gehalten, und auch jetzt zog er sie nicht aus dem Versteck hervor.
Beide wollten die Decke nicht zur Seite schlagen. Der Junge musste selbst wissen, was er tat. Allmählich brach die raue Schale auf, das sahen die beiden ebenfalls. Er begann zittern, und Carlotta streichelte erneut sein Gesicht, was Damiano veranlasste, den Kopf zu heben und ihn zu drehen, damit er das Mädchen anschauen konnte.
Carlotta erschrak. Nicht über sein Gesicht direkt, das war gleich geblieben. Ihr ging es um die Zahl auf der Stirn. Die Null war auch jetzt nicht verschwunden, aber sie hatte sich verstärkt. Sie war farbintensiver geworden. Ein kräftigeres Rot leuchtete den beiden entgegen, als wäre dort ein Kreislauf in Gang gesetzt worden, der dafür gesorgt hätte. Selbst Maxine erschrak und schloss für einen winzigen Moment die Augen, weil sie daran dachte, dass die Zahl angefangen hätte zu bluten. Da allerdings hatte sie sich geirrt. Das Oval blutete nicht, es war nur in seiner Farbe kräftiger geworden.
»Was ist das?«, flüsterte das Vogelmädchen. »Was hat diese Zahl zu bedeuten?«
Er schüttelte den Kopf.
»Bitte, du musst reden. Es ist ein Zeichen, nicht wahr? Diese Zahl ist ein Zeichen und ein Beweis. Ich will nicht sagen, dass du kein normaler Mensch bist, aber du bist etwas Besonderes, nicht wahr? Oder habe ich Unrecht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wer bist du dann?«
Wieder bewegten sich seine Hände. Die Decke darüber warf Falten. Obwohl seine Hände nicht zu sehen waren, sahen die Tierärztin und Carlotta, dass er sie jetzt heftiger bewegte als zuvor. Aber er zog sie nicht unter der Decke hervor.
Genau das wollten die beiden nicht mehr hinnehmen. Sie sprachen sich durch Blicke ab, und es war Maxine, die nicht mehr lange wartete, sondern handelte.
Sie fasste zu und hob mit einem Ruck die
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