Die böse Brut
Decke an. Sie flog zur Seite, und dann lagen die Hände frei.
Mühsam unterdrückte Maxine einen Schrei, während Carlotta auf der Stelle stand und die Lippen zusammengepresst hielt.
Es gab die Hände noch, aber sie sahen nicht mehr so aus wie sonst!
***
Damiano hatte sie übereinander gelegt. Trotzdem waren sie zu unterscheiden, da sie eine Kreuzform bildeten. Sie hatten ihre ursprüngliche Farbe verloren und zeigten jetzt einen blauen Ton, der sogar hinein ins Schwarze glitt. Sie waren trotzdem nicht dunkel, denn um sie herum – und davon wurde jeder Finger berührt – tanzte ein Licht in bläulichen und auch hellen Funken.
Beide zuckten zurück. Sie hielten Abstand, aber das Licht tat ihnen nichts. Nur konnten sie nicht begreifen, woher es kam. Damiano schien an eine Steckdose angeschlossen worden zu sein und stand plötzlich unter Strom. Nur zitterte er nicht. Die Elektrizität lief auch nicht durch seinen gesamten Körper. Sie beschränkte sich auf die Hände und auf die Unterarme. Die Finger sahen aus wie bläuliche Stäbe, die von Lichtblitzen umzuckt wurden. Erst jenseits der Handgelenke verlor sich diese Farbe.
Carlotta und Maxine schauten sich an. In ihren Augen stand die gleiche Frage, aber sie waren nicht in der Lage, sie zu beantworten.
»Was ist das?«, flüsterte Carlotta dem Jungen zu. »Kannst du mir das erklären?«
Er schüttelte den Kopf.
»Bitte, Damiano, du musst reden. »Hab doch Vertrauen zu uns. Du brauchst dich vor uns nicht zu fürchten, das weißt du doch. Bitte, du musst jetzt reden. Nur so können wir dir helfen. Was ist mit deinen Händen geschehen? Was, bitte?«
Er schaute sie an. Sein Blick wirkte verloren, als hätte er sich in eine Vergangenheit geflüchtet, in der die Erinnerungen an gewisse Dinge wie in einem Speicher lagen. Auch in seinen Augen veränderte sich etwas. Sie schimmerten plötzlich feucht, als hätten sie sich mit Tränenwasser gefüllt. Es war eine menschliche Regung, die Maxine und Carlotta als positiv ansahen.
Er hob die Hände an, langsam, sehr vorsichtig.
Er schaute auch zu, was dabei geschah, und er spreizte seine Finger. Zwischen ihnen schimmerte es ebenfalls blau, aber es tanzten keine Funken. Die Haut war bis über die Handgelenke hinweg gefärbt worden, und die Hände sahen tatsächlich so aus, als hätte er Handschuhe darüber gestreift.
»Ich warte auf eine Antwort...«
Der Junge schaute Carlotta an. Dann zuckte er die Achseln. Ein Zeichen, dass er nichts sagen wollte.
Sie schüttelte den Kopf. Das Vogelmädchen wusste, was es in diesem Augenblick tun musste. Sie spürte es in ihrem Innern. Es war wie ein Druck, der sich freie Bahn verschaffen musste. Ohne Maxine zu fragen, streckte sie selbst ihre Hände aus, atmete noch einmal tief ein und umklammerte die des Jungen.
Er saß im Bett. Sie stand daneben. Beide wirkten wie zusammengeschweißt, als könnte sie nichts mehr trennen. Beide schauten sich auch in die Augen, wobei Carlotta den Kopf etwas zur Seite gedreht hatte. Ihre Blicke saugten sich ineinander fest. Ein jeder versuchte herauszubekommen, was der andere dachte.
Maxine Wells trat etwas zurück. Sie kam sich in diesem Moment wie ein Störenfried vor. Sie musste die beiden allein lassen. Es war eine Sache, die nur sie etwas anging. Möglicherweise ein Kampf zwischen ihnen, aus dem nur der Stärkere hervorging.
»Was ist passiert?«
Es hatte Carlotta Kraft gekostet, diese Frage zu stellen, denn sie spürte etwas in sich, das sie als einen fremden Eindringling wahrnahm. Da gab es eine Kraft, die nicht von ihr stammte, sondern nur von ihm, und die war dabei, sie zu erfassen.
Ein ungewöhnlicher Strom, mehr ein Kribbeln durchrann ihren Körper, und sie spürte, dass Damiano allmählich Gewalt über sie bekam, so sehr sie sich auch dagegen anstemmte. Er war nicht zu halten. Er war jemand, der alles übernehmen wollte, und sie spürte, dass sie Mühe hatte, normal zu bleiben. Etwas stimmte nicht mehr, die andere Kraft erwischte sie wie eine Botschaft.
»Ich bin ein Auserwählter...«
Endlich hatte Damiano geantwortet und sich offenbart. Carlotta hatte seine Stimme auch deutlich gehört, nur wusste sie nicht genau, woher sie gekommen war.
Gut, der Junge hatte gesprochen, aber seine Stimme hätte schon sehr nah klingen müssen, was in diesem Fall nicht so gewesen war. Zwar war sie deutlich zu hören gewesen, doch gleichzeitig auch entfernt, als wäre sie weggeschwebt.
Das hatte Carlotta noch nie erlebt. Bisher war sie immer die
Weitere Kostenlose Bücher