Die böse Brut
sich im Bett. Das sah sie, als sie einen Blick nach rechts warf. Das Bett und er waren nur als schwacher Umriss zu erkennen, denn dort, wo es stand, bildeten die Schatten eine dichte Mauer. Man musste schon länger hinschauen, um diese Welt für sich durchblicken zu können. Auch das sah sie nur sehr schwach. Der Umriss des Jungen hob sich schemenhaft ab, und Maxine erkannte, dass er sich nicht hingelegt hatte, sondern im Bett saß.
Sie wunderte sich nicht darüber, denn sie und Carlotta hatten ja auch keinen Schlaf finden können. Ob der Junge sie wahrgenommen hatte, war für sie nicht zu sehen. Er saß in der Dunkelheit und tat einfach nichts. Er bewegte nicht mal den Kopf.
Maxine ging zur Nachttischleuchte. Ihre Schritte waren kaum zu hören. Carlotta blieb an der Tür stehen und wartete voller Spannung ab, was in den nächsten Sekunden passieren würde.
Zunächst wurde es hell.
Kein Strahlen, sondern dieser gelbe und warme Schein, der durch den Lampenschirm drang und bis zum Bett des Jungen reichte.
Jetzt war es für die beiden deutlich zu erkennen. Der Junge saß aufrecht im Bett.
Die Schuhe und die Jacke hatte er ausgezogen, aber Hemd und Hose angelassen und auch die Krawatte nicht abgelegt. Damiano wirkte völlig verkehrt in diesem Bett. Das war nicht seine Welt. Es sah alles völlig auf den Kopf gestellt aus.
Sein Gesichtsausdruck war maskenhaft starr und auch so blass und faltenlos. Als hätte man eine Leiche in das Bett gesetzt.
Als Maxine dieser Vergleich durch den Kopf schoss, schauderte sie. Aber ihr kam zugleich ein schrecklicher Gedanke. War der Junge nicht echt? War er vielleicht ein Zombie? Ein Toter, den man zum Leben erweckt hatte durch einen unheimlichen Zauber?
Sie selbst hatte so etwas noch nicht erlebt, aber sie hatte sich mit John Sinclair über verschiedene Arten seines Einsatzgebietes unterhalten. John hatte sich über das Thema zwar nicht richtig ausgelassen, aber zwischen den Zeilen hatte sie schon herausgefunden, dass es so etwas gab.
Mit vorsichtigen Schritten näherte sie sich dem Bett und blieb daneben stehen.
Damiano veränderte seine Haltung nicht. Es schien ihm nicht mal aufgefallen zu sein, dass das Licht brannte. Er schaute einfach nur ins Leere, und seine Arme hielt er unter der Bettdecke versteckt, die er bis zur Brust hochgezogen hatte.
Maxine fragte sich, ob er überhaupt atmete. Da ein Stuhl in der Nähe stand, zog sie ihn bis an das Bett heran und ließ sich nieder.
Damiano schaute sie weiterhin nicht an. Er blickte nach vorn und gleichzeitig nach innen. So jedenfalls interpretierte sie den Ausdruck seiner Augen.
»Damiano...?«
Sie hatte leise gesprochen, aber durchaus hörbar. Dennoch reagierte der Junge nicht. Eine Antwort bekam sie erst recht nicht.
Maxine fühlte sich überfordert und suchte nach Worten. Die nächste Frage kam ihr fast kindisch vor, aber sie stellte sie trotzdem. »Geht es dir gut?«
Nach einer Weile bewegte der Junge seine Augen. Zumindest hatte er reagiert, und das gab der Tierärztin ein wenig Hoffnung, die harte Schale zu knacken. Nur blieb sein Blick leer, und der war auf Maxine Wells gerichtet.
Sie fürchtete sich vor den Augen. Sie waren wirklich leer, aber nicht tot. Irgendwo hatte sich so etwas wie Leben entwickelt, und das erkannte sie an den hellen Punkten, die sich in den schwarzen Schächten vergraben hatten.
»Geht es dir wirklich gut?«, wiederholte Maxine.
Damiano hob seine Schultern, die jetzt, wo er die Jacke nicht mehr trug, schmaler aussahen.
»Keine Probleme? Keine Schmerzen?«
Mit dieser Frage hatte Maxine einen wunden Punkt bei ihm getroffen. Er drehte den Kopf etwas weg. Er schien sich zu schämen, als hätte man ihn bei etwas ertappt. Die Tierärztin sah auch, wie er seine Hände und Arme unter der Decke bewegte.
Ihr fiel wieder ein, dass Carlotta das Stöhnen des Jungen gehört hatte. Was er hier tat, war für sie mehr ein Schauspiel. Er trug wirklich die Maske und wollte seinen wahren Zustand auf keinen Fall zeigen.
Sie überlegte, ob sie ihn darauf ansprechen sollte, doch sie zögerte noch, weil sie sah, dass er seine Hände jetzt unterhalb der dünnen Decke noch heftiger bewegte. Er schien damit Probleme zu haben. Maxine traute sich nicht, die Decke anzuheben. Wenn, dann sollte er ihr schon entgegenkommen.
Hinter ihr bewegte sich Carlotta. Sie verließ den Raum nicht, sondern ging auf das Fenster zu. Dort schuf sie einen Spalt und blickte nach draußen.
»Siehst du was?«
»Nein, Max, es ist alles
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