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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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wir zu ihren Ehren wohl auch Hussiten heißen. Borbála und ihr junger Kerl sind aber mit den anderen zu denen gezogen, die sich Taboriten nennen, nach dem Berge Tabor, wo die ersten Christen vom wahren Glauben erleuchtet wurden. Keine Bischöfe und Erzdiakone brauchten sie damals, die sich an den Gläubigen mästen und selbst keine Gottesfurcht kennen. Und so brauchen auch wir solche Zwischenhändler nicht. Das Reich Christi auf Erden naht. Und wir helfen, es zu errichten.«
    » Und fürchtest du nie, dass ihr auf einem Irrwege seid? All das Blutvergießen…«
    » Wie Blutegel sitzen die Kirchenmänner auf dem Volk und saugen es aus, die deutschen allen voran. Wir wollen den wahren Glauben in Würde leben, ohne dieses Pack, das uns beraubt und erniedrigt.« Mit Abscheu stieß sie die letzten Worte hervor, bevor sie sich abwandte.
    Wütend und traurig darüber, dass auch ihr treuer Hüx offenbar so sehr für den Glaubenskrieg entbrannt war, dass er Irina allein gelassen hatte, kämpfte Hedwig mit den Tränen. Beschämt über ihr eigenes Versagen verbannte sie den Wunsch, vom Krankenlager zu fliehen. Sie wollte ihrer Freundin nicht mehr von der Seite weichen.
    Drei Tage blieb sie diesem Vorsatz treu, dann starb Irina, ohne noch einmal ganz zu Bewusstsein gekommen zu sein, und Hedwig taumelte aus der Höhle ins Licht. Sie weinte, doch nicht, weil der Tod ihren Kummer verstärkt hatte, sondern weil sie erleichtert war. Mehr als ein Mal hatte sie daran gedacht, das Leid ihrer Freundin zu verkürzen und ihren Tod zu beschleunigen, es aber nicht über sich gebracht, weil der letzte Funke Hoffnung in ihr noch nicht erloschen war. Die Sünde, so gewaltig sie auch gewesen wäre, hätte sie nicht gefürchtet. Ein Gott, der solche Qual erlaubte, versprach ihr ohnehin kein gerechter Richter zu sein. Ihm gefallen zu wollen, schien ihr nicht mehr der Mühe wert.
    Die Erleichterung war bei allen Bewohnern der Höhle spürbar. Die hinkende Hussitin, die nur Schäferin genannt wurde, ging sogar so weit, Hedwig ein Stück Zwiebel und einen Rest Buchweizenbrei zu bringen, als sie weinend draußen auf den Felsen saß und die grau verhangenen Berggipfel anstarrte.
    » Nu hat sie’s geschafft. Nu ist sie auf dem Weg zu Gottes Gnade«, sagte die Schäferin.
    Hedwig ließ sich die Holzschüssel und die Zwiebel in die Hände drücken, ohne die Absicht zu essen. Doch der Geruch des Gemüses ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen, und unwillkürlich griff sie nach dem Löffel, der neben einem Messer an ihrem Gürtel hing.
    Die Schäferin nickte zufrieden. » So ist es recht. Du hast einen langen Heimweg.«
    Heimweg? Hedwig hielt beim Kauen des faden Buchweizens inne. Wo war ihr Heim? War sie nicht ebenso entwurzelt wie die verlassenen Gebrechlichen in der Höhle? Tiefe Sehnsucht nach Brandenburg ergriff sie, nach Friesack, der Burg ihrer Eltern und ihrem geliebten Zootzener Wald. Sie dachte an den Weg nach Ofen, zu Wilkin, der vielleicht so wütend auf sie war, dass er sie verstoßen würde, und an Sigismunds Hofstaat, in dem sie sich so unwohl fühlte. Sich den Weg zu ersparen und nicht zurückzukehren, erschien ihr verlockend. Doch damit hätte sie Wilkin großes Unrecht angetan. Sie war ihm schuldig, sich anzuhören, ob er ihr verzeihen wollte oder nicht.
    Die Schäferin räusperte sich und spuckte aus, den Hang hinab. » Mara sagt, wenn du das Kind mitnimmst, dann brauchst du sie. Und sie würde mitgehen, wenn du versprichst, für sie zu sorgen. Ihr Mann ist tot, und das Leben ihres Kindes ist ihr wichtiger als der Glaube.«
    Hedwig war entsetzt über sich selbst. Irinas winzige Tochter hatte sie in den vorangegangenen Tagen völlig vergessen und nicht überlegt, was mit ihr geschehen sollte. Es kam nicht infrage, sie zurückzulassen. Ihre Ratlosigkeit und ihr Selbstmitleid verflogen. Um der kleinen Juliana willen musste sie nach Ofen. An Wilkins Seite würde es ihr gelingen, sich Ansehen und einen Hausstand zu verschaffen, in dessen Sicherheit Irinas Tochter aufwachsen konnte.
    » Hol Mara heraus. Du musst mir helfen, mit ihr zu sprechen«, sagte sie. Die Schäferin schlug ihr auf die Schulter wie ein Bauer dem anderen und tat, wie Hedwig befohlen hatte.

1 5
    Heldenlohn
    S igismunds Reise in die Walachei war von rein symbolischer Bedeutung und kostete dennoch zwei Ritter seines Gefolges das Leben.
    Seit acht Jahre zuvor der mächtige walachische Fürst Mircea gestorben war, litt das Land unter einer raschen Folge schlechter

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