Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Herrscher. Die Osmanen lauerten jenseits der Donau auf den Tag, an dem sie in einem großen Vorstoß die Walachei ihrem Reich einverleiben konnten. Unermüdlich erprobten sie mit kleineren Trupps, ob der Tag bereits gekommen war.
Doch Sigismund hatte mehr dagegen unternommen, als ihm die ungarischen Fürsten unterstellten. Immer wieder schickte er Ritter, die sich auf der Suche nach Ruhm in seine Dienste stellten, in das Grenzgebiet. Mit allen Mitteln sollten sie den Osmanen Respekt einflößen, wenn schon ihre schiere Zahl nicht ausreichte, das zu tun.
Hedwigs Bruder Köne gehörte zu denen, die es schon eine Weile in der öden, oft verheerten Gegend aushielten. Mit einer kleinen Gefolgschaft von rund zwanzig Mann tat er, wozu die mit den türkischen Taktiken vertrauten Verbündeten Vlad und Hunyadi König Sigismund geraten hatten: Sie kämpften niederträchtig, überfielen Spähtrupps aus dem Hinterhalt und metzelten sie nieder. Ohne sich je offen zu zeigen oder zum Kampf herauszufordern, wie es die Ehre wahrer Ritter verlangt hätte, schmückten sie das walachische Ufer der Donau mit den aufgespießten Köpfen osmanischer Späher, gut sichtbar für deren Genossen am Gegenufer.
Wilkin verabscheute die Heimtücke, die mit dieser Vorgehensweise verbunden war, wenn er auch deren Wirksamkeit anerkennen musste.
Köne hingegen schien völlig in seinem Element zu sein, er vergeudete offensichtlich keinen Gedanken an mangelnde Ritterlichkeit. Er betrachtete die Osmanen nicht als Gegner, die Anstand verdienten, sondern als Heiden, die nicht höher standen als Tiere.
Wenn Wilkin allerdings den verwahrlosten wilden Trupp betrachtete, der Köne unterstand, und ihn mit den Osmanen verglich, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte, fand er, dass es eher die Christen denn die Heiden waren, die Tieren ähnelten. Er hütete sich, diese Ansicht auszusprechen, denn er wusste so gut wie König Sigismund, dass es zurzeit nur ein paar skrupellose und tatkräftige Männer wie Köne und dessen Gefährten waren, die als Wall zwischen den feindlichen Osmanen und Sigismunds ungarischem Königreich standen. Dem König fehlte es an allem, was nötig gewesen wäre, um ein Heer zusammenzubringen, welches die Gegner entscheidend hätte zurückwerfen und langfristig abschrecken können. Alles, was er tun konnte, war, sich einige Tage Zeit zu nehmen, um den ungarischen Teil der Donau hinabzufahren und dann demonstrativ an der Grenze entlangzuparadieren– unweit von Nikopolis, wo er in jungen Jahren eine seiner verheerendsten Niederlagen gegen die Osmanen erlitten hatte. Gelegentlich wunderte Wilkin sich darüber, wie der so oft geschlagene König es anstellte, stets wohlgemut zu bleiben und seine großen Hoffnungen nicht zu verlieren.
Tatsächlich provozierte sein Auftritt die osmanischen Beobachter auf der anderen Seite des Flusses so sehr, dass sich einer ihrer Anführer zum Angriff entschloss und die Donau im Rücken des königlichen Gefolges überquerte. Vielleicht wäre es den Heiden auf diese Weise gelungen, sie zu überrumpeln, wenn Köne den Angriff nicht vorausgeahnt und den König gewarnt hätte.
Das Gefecht, das sich daraufhin am Flussufer entspann, wurde trotz der Warnung und der zahlenmäßigen Überlegenheit der königlichen Seite nicht schnell entschieden. Die Osmanen fochten wild. Sie waren schnell und beherrschten ihre Pferde besser als viele der christlichen Ritter.
Nicht besser als Wilkin allerdings, dem dies wieder einmal zum Vorteil gereichte. Mit einer rasanten Wendung auf der Hinterhand ließ er seinen Gegner ins Leere laufen, um ihn anschließend von der unerwarteten Seite mit dem Schwert unter seinem Turban im Nacken zu treffen. Die Schärfe seiner Klinge durchdrang den Kettenpanzer des Osmanen nicht, doch die schiere Wucht des Schlages brach ihm das Genick.
Während Wilkin einen neuen Widersacher suchte, sah er Köne in seiner dunklen Rüstung, der sein langes Schwert mit solchem Eifer und solcher Kraft führte, dass die Osmanen ihn mieden. Trotz all der Geschichten, die Wilkin über die alten unberechenbaren und waghalsigen von Quitzowschen Ritter kannte, wurde ihm erst jetzt klar, dass deren Wildheit wohl dem ganzen Geschlecht anhaftete. Es war nicht schwierig, sich den alten Johann oder dessen verstorbenen Bruder Dietrich an Könes Stelle vorzustellen. Entsetzlich, wie er es fand, erkannte er auch Hedwig in dem von innerem Feuer erfüllten Krieger und sogar den elenden jungen Dieter. Sie alle würden ihre
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