Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Pritsche, verabschiedete sich mit einem kleinen Knicks von ihm und wollte zwischen Cord und ihrem Bruder Köne hindurch das Zelt verlassen. Doch noch bevor sie den Ausgang erreicht hatte, versetzte Wilkin sie ein weiteres Mal in Erstaunen. Sie hatte während ihrer Auseinandersetzung den tatenlos und schweigend dastehenden Jungen völlig vergessen, dem Wilkin nun einen sanften Stoß gab. » Na los, du kannst bis zum Schankwirt mitgehen. Sprich ein paar Worte mit deiner Schwester, wenn sie das denn ist. Aber dann kommst du ohne Umweg zurück, verstanden?«
» Ja, mein Herr.«
Auch die Begegnung mit ihren Brüdern hatte Hedwig sich so anders vorgestellt, dass ihr vorerst die Worte fehlten, als sie sich in ihrer Gesellschaft von Wilkins Zelt entfernte. Ihren Brüdern schien es nicht anders zu gehen. Köne ging mit Cord vorweg und unterhielt sich mit ihm über den kommenden Feldzug und die bereits versammelten Feldherren, als wäre sie gar nicht anwesend.
Unter den Bannern, die sich auf den Zelten träge in der leichten Sommerbrise bewegten, stach Hedwig eines besonders ins Auge. Sie hatte es auf Gerhardt von Schwarzburgs Mantel gesehen: ein Löwe in Gold auf Blau, ein Hirsch in Schwarz auf Aschfarben, ein schwarzes Kreuz. Also war auch der Erzbischof hier vertreten, vor dem besonders Adam und Irina sich in Acht nehmen mussten. Die Fahnenstange wurde von einer Holzkugel gekrönt, auf der eine räudige lebende Krähe saß, was Hedwig passend fand. Der garstige Vogel verkörperte ihre Vorstellung von den unangenehmen Brüdern von Schwarzburg.
Ihre Aufmerksamkeit wurde zurück auf das Gespräch zwischen den Männern gelenkt, als Köne Cord herzhaft auf die Schulter schlug und sich zu ihm beugte. » Unter uns, mein Freund, ich glaube, dieser Feldzug wird nicht stattfinden. Nach der Schlappe bei Kuttenberg und Deutschbrod waren unsere hohen Herren heiß und wütend genug, um noch einmal auf des Königs Trommeln zu hören. Aber so lange, wie wir hier schon sitzen und warten… Und noch immer ist nur der vierte Teil derer versammelt, die kommen müssten. Sie kneifen, mein Bester, und wer würde sich darüber wundern? Die Hussiten sind nicht plötzlich durch ein Wunder zahmer geworden, nehme ich an.« Er lachte. » Herrgott, Cord. Wie oft ich unser gesegnetes Heer nun schon habe weglaufen sehen, das ist zum Brüllen komisch oder zum Totschämen. Aber sag es nicht weiter, die Herren sind da empfindlich.«
Da Hedwig nicht verstand, worum es ging, wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Jungen zu, der einen Schritt hinter ihr ging, gefolgt von Adam und Irina. » Du bist also mein Bruder Dieter, ja?«
» Hm«, sagte er und sah sie so mürrisch und misstrauisch an, dass sie es aufgab, mit ihm ein Gespräch anzuspinnen. Trostsuchend strich sie ihrem Hund über den Kopf, der nun wieder treu an ihrer Seite schritt. Sie hatte ihm befohlen, bei den Pferden zu bleiben, aber Cord war es offensichtlich gelungen, ihn auf ihre Spur anzusetzen. Der Bastard von Putlitz benahm sich zwar oft genug wie ein Ekel, hatte sich aber insgesamt als Freund erwiesen und sie so manches Mal zum Lachen gebracht. Auch dieses Mal hatte er es gut gemeint. Es tat ihr leid, dass sie sich bald von ihm würde verabschieden müssen. Andererseits schien er mit ihrem Bruder befreundet zu sein und würde ihr vielleicht noch öfter begegnen.
Als hätte Cord gespürt, dass sie über ihn nachdachte, drehte er sich zu ihr um. » Was, zum Teufel, wolltest du beim untadeligen Wilkin von Torgau, Hedwig? Konntest du nicht warten, bis Köne dir euren kleinen Bruder zeigt? Du kannst nicht einfach allein zu einem Mann in sein Zelt spazieren. Wer könnte ihm verübeln, wenn er denkt, dass du… Verdammt, es geziemt sich nicht. Ein Mann hat ein Recht darauf, in seinem eigenen Zelt keinen Angriff fürchten zu müssen.«
Köne legte ihm seinen Arm um die Schultern. » Ich sehe, dass du bis hierher gut auf sie achtgegeben hast, Cord, und ich danke dir dafür. Nun kannst du sie mir überlassen. Ich werde sie zu Johanns Agnes auf die Plattenburg schaffen. Die tugendhafte Frau wird schon etwas aus dem verwilderten Ding machen.«
» Ich bin kein Ding, du großer Trottel«, entfuhr es Hedwig. » Aus freien Stücken bin ich gekommen, und ebenso werde ich entscheiden, wohin ich gehe. Was seid ihr Männer doch für aufgeblasene…«
» Hedwig!«, warnte Irina sie von hinten.
Cord grinste breit und schlug nun seinerseits Hedwigs Bruder auf die Schulter. » Hab ich dir’s nicht gesagt? Und
Weitere Kostenlose Bücher