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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Dieter. Er stand mit gesenktem Kopf zwischen drei Reisigen des Erzbischofs von Magdeburg bei deren Zelt. Einer der Männer ließ eine tote Krähe an ihren Klauen herabbaumeln und schwenkte sie vor dem Gesicht des Jungen hin und her.
    » Ihr kommt gerade zur rechten Zeit, Herr Wilkin von Torgau. Euer Page hat mit einem Bogen gespielt, wo man es nicht tun sollte. Die Krähe hier brach durch unser Zeltdach, und wir haben den Knaben erwischt, wie er dahinten gerade den Pfeil aufhob, der sie vom Himmel holte.« Ein anderer der drei hielt Wilkin einen Pfeil mit einer blutigen Befiederung aus Bussardfedern vor die Nase, den er als einen von denen wiedererkannte, die kurz zuvor mit den Sachen der Jungfer auf seiner Pritsche gelegen hatten.
    Wilkin setzte ein höfliches Lächeln auf und unterdrückte das leise Gefühl von Verzweiflung, das in ihm aufstieg, als er den Beutel mit Gulden zückte, den er eben erst vom Markgrafen erhalten hatte. » Da ist Euer Zelt wohl ein wenig morsch. Aber wir wollen darum nicht streiten. Hier, das sollte reichen, um den Schaden zu beheben.« Er reichte dem Mann eine Goldmünze, bevor er Dieter beim Kragen packte und Anstalten machte, ihn mitzunehmen.
    » Das schmutzige Weib war es, nicht ich«, sagte der Junge und schob seinen Unterkiefer vor.
    » Jaja, rede nur. Die Wahrheit werden wir beide gleich herausfinden«, erwiderte Wilkin. Hastig zerrte er Dieter mit sich und nickte den Männern einen Abschiedsgruß zu.
    » Mein Mitgefühl, Herr von Torgau. Muss nicht leicht sein, ’nen Frischling aus so einer Rotte zurechtzustutzen. Ich rate Euch, nehmt Haselruten, die wirken!«, rief ihnen einer von ihnen nach.
    » Und gute Lust hätte ich, das zu tun«, murmelte Wilkin. » Bist du blöd, dass du nicht den Mund hältst? Warum rennst du denn überhaupt hinter dem Pfeil her?«
    Doch wie meistens schwieg der Junge nun, und Wilkin konnte ihn schwerlich dafür bestrafen, dass er zuvor die Wahrheit gesagt hatte.
    Am nächsten Tag sah er Köne von Quitzow und dessen Schwester noch einmal, ohne jedoch mit ihnen zu sprechen. Sie sahen gemeinsam dem Spielmann und seiner Frau zu, die kurzweilige Lieder, Tanz und Gaukeleien darboten. Wilkin staunte mit großen Augen, als er die Jungfer von Quitzow in ihrem neuen Aufzug erblickte. Sie war offenbar mit Gepäck gereist, denn nun trug sie die lohfarbene Robe einer Edlen und wirkte damit wie eine Schönheit. Auch wenn ihr zur Krone aufgestecktes Haar noch immer zu weit in die Stirn wuchs und es zweifellos Dolche waren, die ihr zu beiden Seiten am Gürtel hingen. Doch immerhin hatte sie auf Bogen und Schwert verzichtet, und sie zeigte im Gespräch mit ihrem Bruder durchaus einen Anflug von geziemender weiblicher Demut und Schüchternheit.
    Wilkin bemerkte schnell, dass er nicht der Einzige war, der sie betrachtete. Es schienen sich noch mehr Männer zu fragen, wer und was sie war. Zu seinem Erstaunen ärgerte ihn das ein wenig, so als fühlte er ein Vorrecht dazu, sich über sie zu wundern. › Drachenmaid‹ hatte der Bastard von Putlitz sie genannt. Aber bei aller Wildheit und trotz ihrer breiten Schultern hatte sie doch mehr von einem anmutigen Waldvogel als von einem Untier. Ein Jammer, dass er vermutlich nicht mehr über sie erfahren würde.
    Kurze Zeit später vergaß er die Jungfer von Quitzow, denn er wurde ins Zelt des Markgrafen von Meißen gerufen, wo ein Bote des Kurfürsten aus Nürnberg eingetroffen war.
    Friedrich der Erste, Kurfürst von Brandenburg, hatte seine Feldherren mit ihren Rittern und Waffenknechten nicht nach Dohna beordert, weil er an einen neuen Feldzug gegen die Hussiten glaubte. Wilkin wusste, dass der kluge Mann nur die Wut der Reichsfürsten über die Niederlagen im Januar und ihre Lust auf einen Rachefeldzug ausgenutzt hatte, um sie bei der Stange zu halten. Mit seinem Heerlager so dicht an der Grenze zu Böhmen wollte Friedrich in Wahrheit nur dem Markgrafen helfen, die siegesberauschten Hussiten abzuschrecken, damit sie nicht ins Meißener Land einfielen oder gar weiter in Richtung der Mark Brandenburg zogen. Unterdessen konnte er mit den anderen Reichsfürsten beraten, was nun weiter geschehen sollte.
    Bei seinem letzten Aufenthalt im Heerlager hatte Kurfürst Friedrich Wilkin anvertraut, dass die Zeichen gut dafür stünden, König Sigismund auf dem Reichstag zu sehen, der im Juli nach Nürnberg einberufen war. Das war nicht selbstverständlich, denn Sigismund war dafür bekannt, auch bei den wichtigsten Gelegenheiten zu spät

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