Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
kämen. Da schade es der Seele weniger, wenn sich der Gläubige mit dem gewöhnlichen Wein begnüge, der dazu diente, die Hostie herunterzuspülen, die doch ebenso Christi Leib verkörpere wie der geweihte Wein.
Da Hedwig das Abendmahl, welches sie in ihrem früheren Leben nie erhalten hatte, auch in der einfachen Form als feierlich empfand, konnte sie in diesem Fall auch innerlich überzeugt zustimmen.
In vielen anderen Fragen blieb sie verwirrt und verstand oft nicht, was in ihrer Tante vorging.
Agnes hatte ihr einige von ihren eigenen Kleidern überlassen, weil sie die von Gräfin Constantia zu anstößig fand. Wie Pater Conradus nannte sie die weiten, seitlichen Ausschnitte der Bliauts, durch die das Unterkleid zur Geltung kam, » Höllenfenster«. Hedwig tat es leid um die schönen Gewänder, und sie wusste nicht, was anstößig daran sein sollte, ein Unterkleid zu zeigen, das so aufwendig und gut geschneidert war, dass sie es auch als einziges Kleid hätte tragen mögen. Doch auch hierin beugte sie sich ihrer Tante. Ebenso ließ sie sich auf deren Anweisung hin an jedem Morgen von Irina die Haare streng aus dem Gesicht ziehen, Stirn und Schläfen sogar ein wenig ausrasieren und eine steife, ausladende weiße Haube aufsetzen, über die ein Schleier gelegt wurde. So geziemte es sich für eine Jungfer von edler Geburt, sagte man ihr.
Das Einzige, worin sie sich nicht fügte, waren ihre Aufenthalte im Freien. Wäre es nach ihrer Tante gegangen, hätte auch sie die Räume der Burg nie verlassen, doch sie bestand darauf, wenigstens täglich in Irinas Begleitung nach ihren Tieren zu sehen. Diese Ausflüge dienten auch dazu, ihrem langsam genesenden Hund Auslauf zu verschaffen.
Isolde war bei den Beizvögeln des Bischofs untergebracht und erinnerte sie in der Art, wie sie unter ihrer Haube und an den Füßen gefesselt still abwartend dasaß, an sie selbst. Doch der Falkner des Bischofs war ein fähiger, pflichtbewusster Mann und sorgte gut für seine kostbaren Schützlinge, daher hatte ihr Habicht im Grunde so wenig zu leiden wie sie.
Leiden musste auch ihr Schwarzer nicht, der es ihrer Vermutung nach in seinem ganzen Leben noch nie so gut gehabt hatte. Obwohl er gegen andere Pferde und gegen die meisten Knechte ein unverträgliches Scheusal war, erhielt er die beste Pflege und begann nach drei Wochen tatsächlich mehr den edlen Rössern des Stalles zu ähneln.
Zu dieser Zeit wagte es zum ersten Mal einer der jungen Pferdeknechte, die der Schwarze an sich heranließ, Hedwig anzusprechen, als sie neben dem Hengst stand und ihm die Mähne kraulte.
Das von Pickeln entstellte Gesicht des rothaarigen jungen Mannes glühte vor Verlegenheit, als er sich gegen sie verneigte und sich dabei seinen Hut an die Brust presste. » Ich bitte um Vergebung, Herrin. Euer Pferd hat sich gut herausgemacht. Er müsste nun bewegt werden. Wünscht Ihr, dass ihn jemand… dass ich vielleicht…? Oder wünscht Ihr ihn selbst zu… Doch nicht…?«
In Hedwig erwachte die Sehnsucht nach einem Ritt über das Land um die Burg. » Er ist mein Pferd. Ich reite ihn selbst. Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn du mich begleiten und mir den Weg zeigen würdest, damit ich mich nicht verirre. Irina, kommst du auch mit?«
Irina stieß den bitteren Laut aus, der seit Adams Tod von ihr oft zu hören war. » Sei dir gewiss, dass es deiner Tante nicht gefallen wird, wenn du ausreitest und ich dich begleite. Noch mehr allerdings würde ich ihr missfallen, wenn ich dich aus den Augen ließe. Was bleibt mir also übrig?«
Hedwig schüttelte den Kopf. » Dann wünsche ich, dass du hierbleibst. Ich werde es meiner Tante erklären.«
Sie wechselte in ihrem Gemach rasch ihr Kleid und achtete sorgsam darauf, niemandem zu begegnen, als sie wieder hinaus zu den Ställen lief. Irina wartete mit verschränkten Armen und melancholischer Miene, der noch immer leicht zu ermüdende Tristan lag ihr zu Füßen.
» Wir bleiben nicht lange fort«, versuchte Hedwig sie aufzuheitern, während der Rothaarige, den der Stallmeister gewöhnlich Hüx rief, ihr schon den Schwarzen auf den Hof führte. Hüx sah inzwischen so aus, als bereute er es, sie angesprochen zu haben. Immerhin hatte er Verstand genug bewiesen, den Stallmeister um Unterstützung zu bitten, damit er nicht allein mit der wilden Jungfer ausreiten musste, dachte Hedwig spöttisch, war aber auch ein wenig dankbar. Sie hatte den Verdacht, dass ihre Tante sich über ihren Ausflug noch stärker empören
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