Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
würde, wenn sie dabei mit einem jungen Knecht allein war.
Beide Männer ritten ruhige Stuten, was sicher dem Misstrauen gegen ihren garstigen Hengst zu verdanken war.
Tatsächlich war der Schwarze unruhiger als sonst, trat zur Seite, als sie aufsteigen wollte, und tat so, als würde er sie jeden Moment beißen, bis Hedwig wütend sein Ohr packte und ihn laut als dummen, verlausten Klepper beschimpfte. Das schien ihn daran zu erinnern, wer sie war und was sie von ihm erwartete. Dennoch hatte er keine Geduld und trabte ungebeten an, kaum dass sie im Sattel saß. Hedwig entgingen die besorgten Blicke nicht, die die Männer auf sie warfen, als sie ihre Stuten antrieben, um ihr zu folgen. Doch sie fühlte sich köstlich frei und froh, endlich wieder auf dem Pferd zu sitzen und die hohen Mauern hinter sich zu lassen, und sei es auch nur für kurze Zeit. Sie waren kaum aus dem Tor, da ließ sie dem Schwarzen die Zügel, und er sprang mit Wonne in seinen stampfenden Angriffsgalopp, der die Erde unter ihm beben ließ. Wie schon oft zuvor versuchte Hedwig, sich vorzustellen, sie trüge eine fünfzig Pfund schwere Rüstung und hielte eine Lanze, um einen anderen Reiter vom Pferd zu stoßen. Sie fand es jedoch häufig so schwierig, sich selbst im Sattel zu halten, dass ihr unerklärlich blieb, wie die Männer solche Taten vollbrachten.
Der Schwarze war munter und ausgeruht, daher hatten sie ein gutes Stück Weg zurückgelegt, als er von sich aus wieder in Trab fiel und Hedwig ihn zu einem bequemen Schritt zügelte. Die Freude an der Geschwindigkeit hatte ihr Gesicht zum Glühen gebracht. Froh klopfte sie ihrem Pferd den Hals und sah sich nach den beiden Knechten um, die dicht hinter ihr geblieben waren.
Der Stallmeister grinste so breit, dass sie sehen konnte, wo ihm ein Eckzahn fehlte. » Ein Prachtkerl, Herrin. Könnte alles niederrennen, wenn er müsste. Wir füttern ihn noch heraus und bringen ihn in Form, dann könnt Ihr ihn dem Bischof verkaufen und werdet reich dabei.«
Hedwig schüttelte den Kopf. » Ich verkaufe ihn nicht. Er ist das Geschenk eines guten Freundes und bleibt bei mir als mein Reitpferd.«
Die Miene des Stallmeisters wurde ernst. » Dann verzeiht mir meine unbedachte Rede. Aber, wenn Ihr mir noch ein Wort erlauben würdet… Nur zu Eurem Besten?«
» Solange du mir nicht sagst, dass es sich für mich nicht geziemt, einen Hengst zu reiten, darfst du sprechen.«
Er nickte. » Zu urteilen, was sich für Euch geziemt, steht mir nicht zu. Aber wisst Ihr, es gibt ja mehr als einen Grund, warum man Jungfern nicht gern solche Hengste reiten lässt. Ihr seid nicht sehr stark und, mit Verlaub, nehmt es mir nicht übel, aber wenn Ihr mit dem schwarzen Tiuvel nicht in Gefahr geraten wollt, dann müsst Ihr besser reiten lernen. Dem muss ja nur mal ein eigener Einfall in den Kopf steigen, dann setzt er Euch ab.«
Hedwig lachte. » Das hat er schon mehr als einmal getan, der Tiuvel. Falls du mir zeigen kannst, wie ich oben bleibe, werde ich es mit Vergnügen lernen.«
Nun lächelte der Stallmeister wieder. » Dazu können wir kommen, Jungfer von Quitzow. Und so, dass Euer Onkel stolz auf Euch sein wird, wenn er heimkehrt und Euch sieht. Er kann eine Frau leiden, die sich gut auf dem Pferd hält.«
» Auch, wenn das Pferd ein Hengst ist?«, fragte Hedwig spöttisch.
Er zuckte mit den Schultern. » Wisst Ihr, wenn man mich fragte… Hätte eine Jungfer einen ganzen Stall voll braver Pferde zur Auswahl und suchte sich ausgerechnet diesen Kerl hier aus, würde ich es nicht gutheißen. Wenn das Schicksal Euch aber gerade dieses eine Ross beschert hat, dann soll es wohl etwas bedeuten, und ich verstehe, wenn Ihr das Beste daraus machen wollt. Vielleicht wird Euer Onkel das auch so sehen.«
Hedwig seufzte. » Das wage ich nicht zu hoffen. Aber es ändert nichts. Wann fangen wir an?«
Der Stallmeister verschwendete keine Zeit, sondern nahm sie umgehend in die Lehre. Sein erster Schritt war, sie nun doch mit Hüx die Pferde tauschen zu lassen. Es hätte keinen Sinn, sie auf dem Hengst Dinge zu lehren, die dieser selbst noch nicht beherrschte, sagte er. Hüx solle ihm beibringen, was sie zuvor auf der braven Stute lernen würde, erst danach sollten sie es zusammen versuchen.
Während sie aufmerksam den Anweisungen des Stallmeisters folgte, war Hedwig zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf der Plattenburg glücklich. Endlich verlangte ein Mal jemand nicht von ihr, dass sie alles hinter sich ließ, was zu ihr
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