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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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starke Frau, in der Waffenkunst keinem Mann unterlegen, und eine meisterhafte Schützin. Sie zog Seite an Seite mit Tristan aus, um seine Feinde zu besiegen. Noch stärker und vor allem erbarmungsloser kämpfte ihre Isolde nun, als sie es in Hedwigs Kindertagen getan hatte.
    Hedwig selbst hingegen war stiller und zurückhaltender als je zuvor. Sie beobachtete ihre Tante, die nie ein lautes Wort sprach, nie einen schnellen Schritt ging, deren Kleidung nie befleckt war und die sich stets in wenigen Räumen der Burg oder im Kräutergarten aufhielt. Agnes war wohl bald fünfzig Jahre alt, hielt sich aber noch aufrecht. Sie sprach nie über sich, sondern nur über die Allmacht Gottes, Jesus, Maria, den ketzerischen Frevel der elenden Hussiten, ihre Erleichterung darüber, dass die schlimme Zeit des Schismas für die heilige Kirche endlich vorüber war und es mit Martin wieder nur einen einzigen wahren Papst gab. Selbst über die Haushaltsangelegenheiten der Burg verlor sie kaum ein Wort, obwohl sie dem Haushalt unangefochten vorstand.
    Hedwig hatte sich bereits von Cord erklären lassen, was es mit den Hussiten auf sich hatte. Er hatte ihr erzählt, dass der böhmische Adel die Herrschaft des reichen Klerus und der Deutschen, die in allen wichtigen Ämtern saßen, satthätte und Sigismund nicht zum König wolle. Der Irrglaube, den Jan Hus erfunden habe, und Sigismunds Mitwirkung an der Hinrichtung ihres ketzerischen Landsmannes wäre ihnen gerade recht gekommen, um sich gegen alles aufzulehnen, was mit Sigismund und der Kirche zu tun hätte. Der Glaube sei eine wichtige Sache, aber Hedwig solle sich merken, dass es Fürsten meistens um Macht und Reichtum ginge, wenn sie kämpften. So hatte es bei Cord geklungen.
    Aus dem Mund ihrer Tante hörte sich alles ganz anders an. Sie betrachtete die Hussitenaufstände als Werk des Teufels. Hus, der verbrannte Knecht des Bösen, hatte den böhmischen Christen die Sinne verwirrt und sie alle zu tollwütigen Ketzern gemacht. Ihre Lehren verspotteten die heilige Kirche und damit den Allmächtigen. Und ihr kriegerischer Wahn bedrohte alle Rechtgläubigen und den wahren Glauben selbst. Agnes sprach, als lauerten die Hussiten bereits darauf, sie persönlich zu berauben, und sie betete mit ihrem Beichtvater täglich dafür, dass Sigismund und Kurfürst Friedrich sich als stark erweisen und den Irrglauben der Hussiten ausrotten mochten.
    Hedwig fragte nach, worin der Irrglaube genau bestand, und Pater Conradus hielt ihr darauf eine hitzige Rede. Zum einen forderten die Hussiten, dass auch Laien erlaubt sein solle, zu predigen, da das Wort der Bibel allein Gottes Wahrheit kündete und keiner Vermittlung durch besonders geweihte Personen bedürfe. Es schien Hedwig auf der Hand zu liegen, dass der Pater als Diener der Kirche gegen diese Forderung wüten musste, weil sie seine eigene Stellung in der Welt zum Wanken brachte, doch wohlweislich behielt sie diese Ansicht für sich. Warum die Hussiten damit unrecht hatten, konnte ihr der Pater nicht verständlich darlegen. Immerhin hatte Richard sie an der heiligen Schrift ihr Latein gelehrt, ihr die Worte übersetzt und auch gedeutet. Seine Erklärungen hatten dem nicht widersprochen, was sie nun von den Patres erfuhr.
    Die Hussiten gingen noch weiter und bestritten auch die Unfehlbarkeit des Papstes. Hedwig nickte demutsvoll, während sie der Empörung des Paters darüber lauschte, und behielt dennoch auch in dieser Frage stillschweigend ihre Vorbehalte. Es erschien ihr nicht so abwegig, dass Menschen nach all den Jahren des Schismas, während dem sich am Ende sogar drei Päpste um Macht und Ehre schlugen, bezweifelten, dass der Papst allein der unfehlbare Vermittler zwischen dem Allmächtigen und der Welt sei. Und wenn man einmal so weit gekommen war, den Dienern der Kirche ihre besondere Nähe zu Gott abzusprechen, dann war es folgerichtig zu verlangen, dass der heilige Wein, Christi Blut, nicht nur ihnen, sondern allen wahren Gläubigen gereicht werden solle. Und so war denn auch der » Laienkelch« eines der Hauptanliegen der böhmischen Ketzer.
    Warum man dies nicht zulassen dürfe, konnte Pater Conradus Hedwig einleuchtend erklären. Im Andrang des Pöbels auf das Abendmahl könne nicht mehr sichergestellt werden, dass der Kelch mit dem zu Christi Blut geweihten Wein nicht beschmutzt und geschändet würde. Und sich mit solcher Sünde zu belasten, könne weder den Priestern noch den Gläubigen zugemutet werden, die damit in Berührung

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