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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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hatten einfach zu viel gemeinsam. Es war fast schon wie bei einem alten Ehepaar.
    Er kam zu mir, ich tastete ihn ab.
    » Nicht so fest!«, dachte ich mir.
    » Nicht so fest!«, sagte Boris ungehalten.
    » Das war doch nicht fest!«, sagte ich brav und wartete auf: » Doch. Seh’ ich etwa aus wie ein Terrorist?«
    Boris sagte: » Doch. Seh’ ich etwa aus wie ein Terrorist? Oder ein Verbrecher?«
    Das mit dem Verbrecher war immerhin mal eine Variante.
    Ich seufzte.
    » Aber nein, Herr Becker, ich kenne Sie doch!«
    » Dann kennen Sie mich also doch!«, folgerte Boris messerscharf und aufgebracht.
    » Aber natürlich kenne ich Sie!«
    » Und warum untersuchen Sie mich dann???«
    » Das ändert doch nichts, Herr Becker. Ich muss Sie untersuchen!«
    » Leck mich doch am Ärmel!«
    Das war unser letztes Treffen.
    Boris, du fehlst mir.

Auf der Flucht
    Manchmal verläuft ein Teil der Weltpolitik direkt durch den Flughafen Frankfurt. Nicht die ganz große Weltpolitik, es ist also nicht so, dass sich der Präsident der Vereinigten Staaten mit dem wunderlichen Ahmadinedschad aus dem Iran vor unseren Augen umarmt, während wir ihm den Koffer durchleuchten. Und es ist auch nicht so, dass Gerhard Schröder so langsam durch unsere Kontrolle schlurft, dass der Einweiser schreit: » Gib Gas, Gerd!«– und vier Wochen später stellt sich raus, dass genau dieser Satz in ihm die Idee für den Wechsel zu Gazprom auslöste. Es sind eher die Sack- und Nebengassen der Politik, die bei uns verlaufen. Und das sind oft sogar sehr hässliche Nebengassen, in die man nicht gerne reinguckt.
    Wir waren am Transitschalter, als wir das Paar sahen. Sie waren Afrikaner, schon etwas älter– vielleicht sahen sie auch nur älter aus, wegen der grauen Haare. Er war dünn, trug einen richtig abgewetzten, glänzenden Anzug, dunkelblau, es dürfte sein einziger gewesen sein, und er war offensichtlich auch schon seit einiger Zeit nicht mehr aus ihm rausgekommen. Unter dem Anzug schimmerte ein braun-rot kariertes Hemd, unten aus den Hosenbeinen schauten Socken hervor, die wahrscheinlich irgendwann mal weiß gewesen waren. Die Füße steckten in schwarzen Schuhen, mit denen er viel gelaufen war, und wie der Blick des Mannes verriet, mitunter sehr schnell und sicher oft nicht freiwillig.
    Die Frau trug eine umbrafarbene Toga. An den Armen, die aus der Toga ragten, konnte man sehen, dass die Frau darunter vermutlich noch dünner war als der Mann. Über ihr Gesicht zog sich ein kunstvolles Muster aus Schönheitsnarben, und es war gut möglich, dass sie tatsächlich einmal sehr schön gewesen war und es gelegentlich noch immer sein konnte. Aber in diesem Moment, an unserer Kontrollstelle, war in ihrem Gesicht nur Angst. Die Augen waren weit aufgerissen, sie scannten unablässig die Umgebung, und sogar hier, in Frankfurt, mitten in Deutschland, war alles bedrohlich. Ein junger, schwarzer Lufthansa-Dolmetscher begleitete das Paar. Er erklärte uns, dass die beiden aus Somalia kamen und in die USA weiterfliegen sollten. Dem Paar erklärte er, dass wir nur eine Sicherheitskontrolle wären und dass sie nichts zu befürchten hätten. Von ihrer Reaktion her hätte er ihnen genauso gut sagen können, dass wir ihre Kinder als Geiseln hielten.
    Sie hatten einen Koffer dabei, und wir baten sie, ihn auf das Rollband zu stellen. Sie mühten sich redlich, also halfen wir ihnen. Der Koffer war monsterschwer. Manchmal glaube ich wirklich: Je ärmer die Menschen sind, desto schwerer sind ihre Koffer. Der Monitor enthüllte große Mengen von irgendeiner organischen Masse.
    Also guckten wir rein.
    Als ich den Reißverschluss zurückzog, stieg aus den Tiefen des Koffers ein unschöner muffiger Geruch. Ich zog mir gleich mal ein neues Paar Gummihandschuhe über und griff beherzt hinein. Meine Hand tauchte in eine breiige Masse. Ich schob meine Hand weiter, um festzustellen, wie tief die Breischicht war.
    Sie war tief.
    Mein halber Unterarm versank in einem Morast, der eine leicht beige-elfenbeinfarbene Tönung hatte. Der Modder war ungebackenem Leberkäse nicht unähnlich, roch aber ganz anders. Die Masse war lauwarm, das konnte daher stammen, dass sie vielleicht schon gärte. Unten stieß ich auf Grund. Der Grund war rund– flaschenförmig. Mehrere Flaschen. Ich fragte die beiden via Dolmetscher, worin ich da eigentlich gerade herumwühlte.
    Es war kein Gift, es war kein Sprengstoff, kein totes Tier. Es war das Banalste, das Simpelste, das Wichtigste, was Menschen mitnehmen

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