"Die Bombe is' eh im Koffer"
Aber wenn der Luftsicherheitsassistent das Ding mal geöffnet hat, hat man nur noch Papier und Schnur und den kunterbunten Inhalt. Da ist es dann ganz praktisch, wenn wir die Hälfte des Zeugs aussortieren, weil sich das Restpaket dann auch wieder leichter packen lässt. Am übersichtlichsten ist es sowieso, wenn Mopp und Eimer samt Putzmitteln gleich sachgerecht getragen werden. Das kommt ebenfalls oft genug vor, da muss man dann nur aufpassen, dass man die Passagiere nicht mit der Reinigungstruppe verwechselt.
Und dass die türkischen Kollegen nicht ausrasten.
Denn das ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wenn sich so ein älteres Paar der Kontrolle nähert. Sie mit Kopftuch, er im Sakko, die speckige Mütze auf dem Kopf, aus den Schuhen sieht man die dicken Wollsocken, in der Hand haben sie Eimer und Besen und drei riesige uralte Koffer und so ein halb zerfleddertes Paket. Und dann kommen sie zu einem der türkischen Kollegen, von denen wir ja auch viele haben.
Wenn der Kollege ein Mann ist, dann ist’s ihm peinlich.
Dann sieht man richtig, wie er sich fremdschämt, weil die beiden so furchtbar rückständig wirken. Weil sie aussehen, als kämen sie von da, was man gemeinhin als das finsterste Anatolien bezeichnet, obwohl man gar nicht weiß, wie finster es in Anatolien ist. Dann werden die Kollegen furchtbar ruppig, ihre Kommandos sind noch kürzer als sonst, und wenn die beiden älteren Herrschaften nicht sofort alles richtig machen und wissen, was in welchem Moment zu tun ist, dann fluchen die Kollegen und sagen in breitestem, allerhessischstem Hessisch:
» Wie kammer nur so bescheuert sei?«
Wenn der türkische Luftsicherheitsassistent weiblich ist, dann sieht die Sache anders aus. Obwohl die türkischen Kolleginnen sich noch mehr von diesen älteren Fluggästen unterscheiden als ihre männlichen Kollegen.
Die türkischen Kolleginnen sind supergestylt. Fingernägel auf die Ohrringe abgestimmt, Make-up auf die Frisur, da wird nichts dem Zufall überlassen, die sehen in 99 Prozent der Fälle so schick aus wie eine Barbie, aber noch in der Originalschachtel. Und wenn jetzt ein älteres Paar kommt, dann kann man regelrecht verfolgen, wie Barbie aus ihrer Schachtel steigt und ihr das Herz aufgeht. Dann sieht die keine zwei Passagiere, dann sieht die ihre eigenen Großeltern in all ihrer Hilflosigkeit, und sie erklärt ihnen jeden Handgriff doppelt und natürlich auf Deutsch, Türkisch und sämtlichen regionalen Unterdialekten, die ihr zur Verfügung stehen. Und bei jedem Besen, jeder Flasche Meister Proper, jeder Sprühdose Möbelpolitur erklärt sie ganz genau und ganz langsam, warum das jetzt nicht mitdarf, leider leider, und sie versteht die beiden so gut, sie schwört selbst auf dieses Mittel, ihre Großeltern benutzen es auch, und wo’s denn überhaupt hingeht, im Grunde stehen die drei dann kurz vor der gegenseitigenAdoption, es ist nur noch nicht klar, wer bei wem einzieht.
Bleibt nur die Frage: Warum ausgerechnet Putzmittel?
Herr Sarrazin würde wahrscheinlich schlussfolgern, dass es in der Türkei so schmutzig ist, aber da liegt er falsch: Wir sind einfach kompetent. Die Türken und die Türkinnen sind schlichtweg begeistert von der Qualität unserer Besen und Mopps. Ich weiß ja auch nicht, was so schwer daran ist, einen Eimer herzustellen, aber wenn man den Türken glaubt, sind wir in der weltweiten Eimertechnologie der Konkurrenz vom Bosporus geradezu Lichtjahre voraus. Wir machen keine Eimer, wir machen multifunktionale, ultramobile High-End-Wasserreservoirs.
Mit hammerartigem Henkel!
Und mit unseren Kehrbesen ist die türkische Hausfrau scheint’s während der Kehrwoche schon an der Kellertreppe, wenn die Nachbarin mit dem Heimatbesen noch unterm Dachboden im Staub erstickt. Davon erfährt man nichts in den Nachrichten, und in der Tagesschau sieht man auch immer nur, wie Angela Merkel irgendwelche Fabriken besichtigt oder durch Kernkraftwerke schlendert, aber wenn man unseren türkischen Passagieren glauben darf, dann sollte Frau Merkel ruhig mal dem chinesischen Präsidenten beim nächsten Staatsbesuch einen Eimer samt Wischmopp in die Hand drücken.
Abschied vom Herrn Becker
Es war inzwischen fast schon Routine. Ich stand am Gate, und in der Schlange näherte sich Boris. Er tat so, als würde er mich nicht kennen. Ich tat so, als würde ich ihn auch nicht kennen. Man konnte es offenbar nicht leugnen: Wir hatten Beziehungsschwierigkeiten. Aber Ignorieren war unmöglich. Wir
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