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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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dieser Hölle stehen, stehen zu Unrecht dort. Weil die Organisatoren des Frankfurter Flughafens diese Leute in ihrer unendlichen Weisheit nicht vorher durch Einbau eines Ausgangs aussortiert haben.
    Um die Lage korrekt einzuschätzen, muss man sich vor Augen halten, dass diese Passagiere nicht von Inlandsflügen kommen. Die saßen nicht mal eben eine Stunde im Flieger, weil sie aus Hamburg oder Berlin oder München kommen. Diese Menschen kommen aus Brasilien, Südafrika, aus Kanada, aus New York, Kairo, Istanbul. Diese Menschen sind hochgradig müde, sie fühlen sich zerknittert, schmutzig, verschwitzt, ausgelaugt, und die Hälfte von ihnen will nichts sehnlicher als ins Bett oder wenigstens in die sehr relative Bequemlichkeit eines Zugsitzes. Was diese Menschen nicht wollen, ist, sich ihren Kulturbeutel durchleuchten zu lassen. Diese Menschen stehen hier in der vermutlich sinnlosesten Schlange ihres Lebens, sie können förmlich zusehen, wie ihre kostbare Zeit aus den nicht vorhandenen Fenstern geschmissen wird. Und irgendwann wird einer von ihnen ärgerlich. An guten Tagen erst etwa um 6 Uhr 05.
    » Herrgott, was soll denn das? Ich wohne doch hier!«
    » Himmel, ich will doch nur in den Zug nach Hannover!«
    Es gibt keine Kirche, in der der Name des Herrn öfter und flehentlicher erwähnt wird als in Hell’s Kitchen zwischen sechs und 12 Uhr. Aber Gott hört nichts. Vermutlich weil die grauenhaften Kisten an den Kontrollstellen so höllisch klappern. Oder weil die Menschen alle durcheinanderschreien. Und das ist kein Witz: Sie schreien, sie brüllen ohne Ende.
    In jeder Schlange gibt es normalerweise einen Typen oder eine Frau, die sich aufregt. Oft wird der Schreihals dann von den Leuten drum herum beruhigt oder getadelt. In Hell’s Kitchen ist das nicht so. Weil der Schreihals genau das ausspricht, was jeder zweite andere Fluggast in diesem Moment fühlt.
    » Gütiger Gott, ich muss doch nur nach Düsseldorf!«
    » Und ich nach Köln! Nehmen Sie mich mit?«
    » Die haben sie doch hier nicht alle!«
    » Jetzt spinnen sie komplett!«
    » Kontrollen im Inland– das gibt’s doch überhaupt nicht!«
    » Das ist doch die pure Schikane!«
    » Herr, wirf Hirn vom Himmel!«
    » Ich fliege jetzt seit fünfzehn Jahren, aber so was vollkommen Bescheuertes habe ich überhaupt noch nicht erlebt!«
    Ich schon. Jeder Tag in Hell’s Kitchen ist so. Und das ist nur das Grundrezept. Die richtige Würze kommt von den Zutaten, die man an zwei Positionen der Kontrollstelle erhält, nämlich als Sonder oder als Mann am Nachschautisch. Um deren Position zu verstehen, muss man nochmal kurz an den Anfang dieses Kapitels zurückdenken. An das Y, an die Passagiere, die nicht aus Flugzeugen kommen, sondern aus Frankfurt, die am Fuß des Y ganz normal durch die andere Kontrollstelle gegangen sind und hinter B-Mitte vorbeiströmen. Diese Angabe stimmt nicht so ganz, denn nicht alle strömen vorbei. Eine bestimmte Gruppe kommt zu uns: die » Excuse-Me«s.
    Ein Excuse-Me ist jemand, der eine Information braucht. Und der sich an alles wendet, was eine Uniform trägt. Er sagt » excuse me«, was englisch ist für » Pardon«, und dann fragt er, was er fragen will. Das kann durchaus wichtig sein, zum Beispiel wenn er einen allein stehenden Koffer gefunden hat, der tickt und raucht, und wissen will, was damit geschieht. Aber von 100 000 Excuse-Mes fragt kein einziger nach tickenden Koffern.
    » Excuse me, where is the toilet?«
    » Excuse me, where is the station?«
    » Excuse me, where is B-Mitte?«
    Dem Excuse-Me ist es egal, was man gerade macht. Ich kann gerade der übernächsten Generation der RAF zwei Handgranaten und eine Maschinenpistole aus dem Ärmel ziehen, das ist dem Excuse-Me grade wurscht.
    » Entschuldigung, wo ist Mallorca?«
    Der Begriff » Excuse-Me« ist allerdings auch nicht ganz zutreffend, weil der Excuse-Me es nur selten beim » Pardon« belässt. Es ist für den Excuse-Me eine altbekannte Tatsache, dass uniformierte Menschen manchmal etwas langsam reagieren, und dass für diesen Fall zwei Mechanismen installiert wurden. Man kann den Uniformierten an der Schulter packen und rütteln wie den Apfelbaum in » Goldmarie und Pechmarie«. Und dann wird irgendwann schon die vermaledeite Antwort aus ihm herauspurzeln. Wenn der Uniformierte sehr groß ist, kann man ihn auch schon mal am Ärmel ziehen. Kräftig.
    » Excuse me, where ist Gate C?«
    » Excuse me, where is the bathroom?«
    » Excuse me, have you seen my wife?«
    »

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