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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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nicht geöffnet, also guckte ich mich um, ob irgendjemand hersah von der Einsatzleitung, schob ihm die Flasche in die Tasche und sagte: » Alles in Ordnung, auf Wiedersehen.« Einfach nur, damit es voranging. So was hätte ich an einer anderen Stelle nicht gemacht.
    Einmal habe ich einen Mann erlebt, der ebenfalls nur seinen Zug erwischen wollte. Er kam durch die Torsonde, und ich bat ihn, den Gürtel abzulegen. Der Einweiser hatte vergessen, ihn darauf hinzuweisen. Der Mann kochte, er brüllte (völlig zu Recht), dass man ihm das doch vorher hätte sagen können, ging wieder zurück, zog wutentbrannt den Gürtel aus den Schlaufen, packte ihn am einen Ende, um ihn mit voller Wucht auf das Kontrollband zu knallen. Und mit der Gürtelschnalle erwischte er den Einweiser voll am Auge.
    Der Einweiser schrie auf, hielt sich entsetzt das Auge. Und mir platzte der Kragen.
    Ich baute meine gesamten zwei Meter vor dem Mann auf.
    » WAS SOLL DENN DAS ? WAS GLAUBEN SIE EIGENTLICH ? SIE KRIEGEN HIER KEINEN SCHEISSZUG MEHR ! HABEN SIE NOCH ALLE TASSEN IM SCHRANK ? WIR HOLEN JETZT DIE POLIZEI , UND DANN IST DER TAG FÜR SIE ERST MAL GELAUFEN !«
    Und daraufhin begann der Mann zu weinen.
    Er entschuldigte sich, er war sichtlich verzweifelt und zog hastig einen Fünfzigeuroschein aus der Tasche.
    » LASSEN SIE IHR BLÖDES GELD STECKEN ! DAS HÄTTEN SIE SICH VORHER ÜBERLEGEN SOLLEN !«
    Er bat, die Polizei rauszulassen, er entschuldigte sich sehr geknickt und glaubwürdig bei meinem Kollegen, also ließen wir ihn durchgehen. Es ging ja vor allem um einen reibungslosen Ablauf. Der Kollege hatte leider noch einige Tage ein richtig hässliches Veilchen.
    » Mir wenn das passiert wäre, ich hätte den Kerl umgetreten«, sagte mein Kollege Peter danach, als ich ihm davon erzählte.
    » Ach Quatsch«, lachte ich, » so einer bist du doch nicht. Du hast das doch im Griff.«
    Eine Woche später hatte ich mit Peter Dienst in Hell’s Kitchen.
    Peter stand am Nachschautisch, als einer von den dringenden Hannoveraner Zugfahrern vorbeischäumte. Er zeterte in einem fort, er fluchte, und Peter blieb gelassen.
    Während ich ihn sondete, drehte der Typ noch ein bisschen auf. Wir waren Arschlöcher, Wichser sowieso, kleine verkommene Drecksäcke, schlichtweg das Letzte. Und Peter blieb gelassen, so wie ich es von ihm kannte.
    Dann nahm der hoffnungsvolle Zugreisende sein Gepäck entgegen, das Peter untersucht hatte. Und er feuerte stinksauer seinen Kulturbeutel Peter an die Brust. Und Peter senkte den Kopf und ging um den Tisch herum.
    Er stellte sich direkt vor den Mann, der einen ganzen Kopf größer als Peter war. Dann trat er, den ich noch nie auch nur eine Sekunde hatte die Fassung verlieren sehen, dann trat Peter, der Coolste und Ruhigste von allen, dem Typ die Beine weg, ging schwungvoll in die Knie, packte den Kerl am Kragen, holte aus und versenkte die Faust wortlos in seinem Gesicht.
    Er wurde noch am selben Tag gefeuert. Aber es gab keinen einzigen Luftsicherheitsassistenten am Flughafen, der nicht verstanden hätte, was in ihm vorgegangen war.

Sitzend reisen
    Der Anblick des Mannes hatte zunächst etwas zutiefst Beruhigendes. Ich saß hinter dem Monitor und sah ihn, wie er in seinem Rollstuhl auf die Kontrollstelle für Behinderte zurollte, und mein erster Gedanke war: » Na, das Problem mit den Sozialkassen haben sie ja offenbar wieder in den Griff bekommen.« Nicht dass er gesünder wirkte. Aber er hatte nicht nur einen Pfleger, sondern zwei, und das, obwohl er selbst nicht mal unbedingt aussah wie ein Millionär. Man sah es schon am Rollstuhl.
    Rollstühle sind inzwischen für die, die drinsitzen, auch ein Lifestyle-Artikel. Bunter Rahmen, Leichtmetallfelgen, Leichtbauweise, für einen schicken Rollstuhl kann man inzwischen problemlos so viel Geld ausgeben wie für ein Hightech-Fahrrad. Der Typ mit den zwei Pflegern hatte keinen Lifestyle-Rollstuhl. Er saß in einem 08/15-Modell, Kunstlederlehne, Sechziger-Jahre-Optik, Schwermetallbauweise. Er war klein, dürr, hatte kurze Haare, saß unter einer Wolldecke, wie man sie üblicherweise im Wohnzimmer einer neunzigjährigen Rentnerin findet. Er trug eine olivgrüne Kappe im US -Army-Look und schaute teilnahmslos durch eine Brille mit Kassengestell. In den Reifen fehlte etwas Luft, das machte dem schiebenden Pfleger erkennbar zu schaffen, obwohl er ein kräftiger Bursche war.
    Der schiebende Pfleger trug einen raspelkurzen Igelhaarschnitt und hatte sich für den Flug schick gemacht,

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