"Die Bombe is' eh im Koffer"
schicker als der Mann im Rollstuhl: Er trug einen schlichten schwarzen Anzug, eine schwarze Krawatte, schwarze Schuhe, bequem, aber klassisch, gut geputzt. Er hätte genauso gut Bestatter sein können. Sein Kollege hinter ihm sah genauso aus. Die gleiche Frisur, die gleichen Klamotten, die gleichen Schuhe. Allerdings schob er niemanden, sondern trug das Handgepäck. Die drei reisten auch nicht wie Millionäre. Das Gepäck bestand aus zwei Aktenkoffern und einem labbrigen Karton, gerade groß genug für einen Fußball. Er stellte ihn aufs Rollband und ließ ihn ins Röntgengerät rutschen. Dann sagte er seinem Pflegekollegen ein paar stark zerkaute Worte. Amerikaner.
Amerikaner mit eigenwilligem Gepäck.
Wenn man die Gepäckstücke der Optik nach zuordnen wollte, musste der Fußballkarton dem Behinderten gehören. Er enthielt ein Häufchen Klamotten, sonst nichts. Dem ersten Aktenkoffer nach zu urteilen, war einer der beiden Pfleger zugleich eine Art Sekretärin. Er enthielt einige Papiere, ein paar Kugelschreiber, Heftklammern und ein Diktiergerät. Der Kofferinhalt ähnelte stark dem der anderen männlichen Sekretärin, die allerdings noch eine Vorliebe für Spielchen mit Handschellen hatte. Außerdem lagen im Koffer noch zwei Aktenlocher von Sig Sauer.
Nicht viele Schreibkräfte haben diese Aktenlocher. Das liegt daran, dass Sig-Sauer-Aktenlocher am effektivsten auf rund fünfundzwanzig Meter Entfernung arbeiten und neun Millimeter große Löcher machen, fünfzehn Stück, ohne nachzuladen. Das ist auch der Grund, weshalb Sig-Sauer-Aktenlocher im Büroalltag vergleichsweise unbeliebt sind: Erstens, weil alles, was sich unter oder hinter dem Dokument befindet, dabei ein bisschen kaputtgeht, Tischplatten, Computer, Telefone, Leute und so. Und zweitens natürlich, weil man viele Dokumente dann auch nicht mehr so gut lesen kann. Diese beiden Schreibkräfte hier an unserer Kontrollstelle schienen jedoch gern auf Nummer sicher zu gehen. Für den Fall, dass auf dem zersiebten Dokument noch zusammenhängende Sätze zu erkennen wären, hatten sie vier weitere geladene Magazine eingepackt. Ich winkte mit einem Augenblick meinen Kollegen Jan zu mir, zeigte ihm meine Entdeckung und rief den Einsatzleiter.
Die beiden Kurzhaar-Tippsen reagierten sofort.
» Hey, that’s okay!«, sagte der Schieber.
» No«, sagte ich bestimmt, » that’s not okay. That’s definitely not okay.«
» It is«, sagte der Schieber. » We’re from the FBI . It’s a transport. This«, und er zeigte beiläufig auf den Behinderten, » this man is a prisoner. We’re bringing him to the US . Take a look at the paperwork. It’s in the case.«
Er zeigte auf den Koffer ohne Handschellen und Locher.
» Okay«, sagte ich, » we’ll have a look.«
» Was gibt’s?«
Zwischenzeitlich war die Einsatzleiterin eingetroffen. Carmen. Hübsch, aber harmlos.
» Nichts gibt’s. Wenn diese Herren vom FBI sind.«
» Und wenn sie nicht vom FBI sind?«
» Dann haben sie für ihre USA -Reise einen Behinderten und zwei Pistolen zu viel eingepackt.«
» Wie bitte?«
» The police is informed«, seufzte der Anzug, der den Behinderten geschoben hatte.
» Carmen, weißt du was von einem FBI -Gefangenentransport?«
» Ich weiß von nichts.«
» Und die Bullen?«
Carmen klemmte sich ans Telefon, um bei den Kollegen der Bundespolizei nachzufragen.
» Die Bundespolizei weiß auch von nichts«, meldete Carmen kurz darauf. » Ich frag mal bei denen in der Zentrale nach. Aber in der Zwischenzeit können wir ja schon mit der Personenkontrolle anfangen.«
Da hatte sie Recht. Wir baten die Herren zu uns. Vor uns lag die schnellste Kontrolle aller Zeiten.
Zweifellos wussten die beiden Herren mindestens so gut Bescheid wie wir selbst. Es gab an ihnen kein unnötiges Stück Blech, sie drehten sich in Position noch während man Luft holte, um sie dazu aufzufordern. Das mit dem FBI wirkte allmählich glaubhaft.
Dann kam ich hinter dem Monitor hervor, damit wir uns den Behinderten vornehmen konnten. Die beiden Anzüge wurden unruhig.
» Be careful«, mahnte der Koffer- und Kartonträger. » This man is extremely dangerous.«
» He was convicted for armed robbery and murder«, erklärte der andere. » He killed three people.«
Jan und ich sahen uns an. Das dürre Männchen im Rollstuhl sah überhaupt nicht aus wie jemand, der bei einem Raubüberfall drei Menschen umgebracht hatte.
» Aha«, sagte ich, » and why is he in Germany?«
» He managed to escape«,
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