"Die Bombe is' eh im Koffer"
vorgesehen. B-Mitte ist für andere Leute da– für die Menschen, die per Flugzeug am Terminal 1 eintreffen.
Die Menschen, die per Flugzeug in Frankfurt eintreffen, kann man in zwei Gruppen einteilen. In diejenigen, die weiterfliegen wollen, und in diejenigen, die einfach nur nach Hause möchten. Oder zum Zug. Die Aufgabe beim Dienst in B Mitte lautet: alle kontrollieren. Und hier beginnt die Hölle das erste Mal zu brodeln.
Denn tatsächlich müsste man niemanden kontrollieren, der bei seinem Heimatflughafen aussteigt und nach Hause ins Bett fährt. Warum auch? Er fliegt ja nicht mehr weiter. Und Tausende erfahrener Fluggäste können hier zu Recht einwenden, dass sie schon sehr oft an einem deutschen Zielflughafen angekommen seien und dort hätte sie natürlich niemand mehr vor ihrer Taxi- oder S-Bahn-Fahrt kontrolliert. Das mag sein. Das Problem in Frankfurt liegt an der spezifischen Beschaffenheit von B-Mitte. Und es hat mit einem Begriff zu tun, der sich » Vermischungsverbot« nennt.
Hinter diesem Begriff steht die Sicherheitsvorschrift, dass man kontrollierte und unkontrollierte Fluggäste nicht durcheinandermischen darf. Weil man dann nicht mehr weiß, wer kontrolliert wurde und wer nicht. Das Irreführende an dem Begriff ist der Teil mit dem » Verbot«. Wenn es trotzdem vorkommt, wird niemand bestraft– es hat nur eine unangenehme Vorgehensweise zur Folge: Es werden einfach alle Passagiere nochmal kontrolliert. In B Mitte ist es nun so, dass alle Passagiere von den Ankunftsflügen gemeinsam aufschlagen: diejenigen, die weiterfliegen wollen, und diejenigen, die hier zu Hause sind. Und weil wir nicht wissen, wer nun zu welcher Gruppe gehört, und weil uns ja die Leute viel erzählen könnten, kontrollieren wir alle. Wir kontrollieren also sehenden Auges Leute, die gar nicht kontrolliert werden müssten. Und das trifft nicht nur eine kleine Gruppe, die eben besonderes Pech hat. Das trifft ziemlich genau die Hälfte aller Passagiere, die hier durchkommen, und deren Zahl ist beachtlich.
Man kann die Menge dieser Passagiere in Zahlen fassen, aber ich möchte sie gerne anders beschreiben. Normalerweise beginnt der Tag eines Luftsicherheitsassistenten in seinem Aufenthaltsraum, wo er von den Monitoren aus der Steuerungszentrale erfährt, für welche Kontrollstelle er an diesem Tag eingeteilt ist und mit wem. Dann macht er sich dorthin auf den Weg, nimmt nebenbei vielleicht noch ein belegtes Brötchen mit. Man kommt an, untersucht sich gegenseitig, verteilt die Positionen an der Kontrollstelle und lässt den Tag so nach und nach anrollen. Und mit den Flugzeugen schwillt der Betrieb an und ebbt wieder ab, wie die Gezeiten an einem etwas windigen Tag am Mittelmeer. Nicht so bei B Mitte.
Wenn man morgens um fünf Uhr seinen Posten auf B Mitte mitgeteilt bekommt, nimmt man vielleicht so grade eben noch einen Kaffee mit, aber man kann nicht früh genug an der Kontrollstelle sein. Um 5 Uhr 59 ist die Halle noch leer. Dann sieht man den ersten Fluggast von Terminal 1 links um die Ecke rollen. Und von der Treppe rechts sieht man die ersten Passagiere von Terminal 2 ankommen. Und um 6 Uhr 01 ist die gesamte Halle gesteckt voll. Fünf Kontrollstellen sind vorhanden, fünf Kontrollstellen sind besetzt, meistens mit zwei Leuten am Nachschautisch statt der sonst dort üblichen One-Man-Show. Im Vorfeld sind zusätzliche Leute im Einsatz, die noch vor den Einweisern die Fluggäste zu den Kontrollstellen dirigieren. Aber Ebbe und Flut setzen hier trotzdem komplett aus: So voll, wie es jetzt ist, bleibt es bis mindestens um 12 Uhr. Ein kleines Päuschen gibt es vielleicht so gegen 13 Uhr, aber spätestens ab 14 Uhr geht es dann hier genauso weiter bis Ultimo.
Man kann bei der Beschreibung nicht übertreiben. Es herrscht ein Höllenlärm, das Klappern von fünf Kontrollstellen nebeneinander mit ihren Plastikkisten, die über die Stahlrollen dröhnen. Und obwohl man durchleuchtet wie der Teufel, obwohl man versucht, hundertarmig alles noch schneller und präziser als sonst zu machen, wird die Arbeit nicht weniger. Es gibt eine schöne Stelle in Otfried Preußlers » Krabat«, wo Krabat mit einem Besen die Mehlkammer ausfegen muss, und sobald er einmal durch ist, sieht’s vorne wieder genauso aus wie vorher. So ist die Arbeit an B-Mitte. Wenn man einen guten Tag erwischt.
Aber in Hell’s Kitchen gibt es keine guten Tage.
Es kann sie nicht geben.
Denn man kann es nicht oft genug betonen: Die Hälfte aller Menschen, die in
Weitere Kostenlose Bücher