"Die Bombe is' eh im Koffer"
ihnen käme. Sie würden zu ihm sagen:
» Ja, glauben Sie nicht, dass wir Ihnen schon was gesagt hätten, wenn Sie hierherkommen dürften?«
Oder:
» Sehen Sie hier noch irgendjemanden anstehen außer Ihnen? Was meinen Sie wohl, warum das so ist?«
Und dann nehmen die Passagiere an, dass irgendeine undurchschaubare Begründung folgt. Und da muss ich zugeben: nicht ganz ohne Ursache. Denn undurchschaubare Begründungen haben wir reichlich.
Die Folge ist, dass man den Passagier steuern muss. Wenn man schon mal fünf Checkpoints geöffnet hat, möchte man, dass die auch in Anspruch genommen werden. Und es erhöht die Sicherheit, wenn man nicht alle Passagiere durch einen Checkpoint presst, weil dann die Luftsicherheitsassistenten gelegentlich auch mal zum Atmen kommen. Das Einzige, was durch die Steuerung ein wenig erschwert wird, ist die Kontrolle der Kontrolleure.
Denn die Aufmerksamkeit der Luftsicherheit wird regelmäßig kontrolliert– und diese sogenannten Realtests sind eigentlich mit das Beste und Konsequenteste an der ganzen Einrichtung. Die Tests sind absolut unberechenbar, sie sind von der Wirklichkeit nicht zu unterscheiden, und sie werden auch gezielt angesetzt, das heißt: Die Tester suchen sich bewusst Schwachstellen im Team, jedenfalls so bewusst, wie es geht. Wenn einen der Einweiser hartnäckig beim Zuweisen der Checkpoints vom Wunschkandidaten weglotst, kann man sich als Realtester natürlich auch nicht weigern, das fällt ja auf, wenn einer partout in die längste Schlange will.
Die Realtester sind Bundespolizisten, und die stammen auch nicht immer vom Flughafen, sind somit keine vertrauten Gesichter. Sie können männlich sein, weiblich, jung, alt, auch über fünfundsechzig, vermutlich reaktivieren sie für so eine Aktion auch mal ihre Seniorengang. Die Realtester dürften auch gezielt geschult werden. Ich entdecke problemlos in der U-Bahn jeden Fahrkartenkontrolleur, aber ich habe noch nie einen Realtester vorzeitig identifiziert. Wenn man was bei ihnen findet, wird der Vorgang auch nicht aufgelöst: » Hurra, Realtest! Alles nur Spaß!« Wir behandeln ihn ganz normal, rufen bei Bedarf die uniformierten Kollegen der Bundespolizei und fertig. Erst an der Belohnung merken wir dann, was los war. Da gehen die Leute ähnlich vor wie bei Drogenhunden. Wenn ein Luftsicherheitsassistent was findet und ordnungsgemäß meldet, bekommt er eine offizielle Belobigung und den Rest des Tages frei. Und zwar sofort. Im Augenblick nach der Kontrolle sind plötzlich vier bis fünf Polizisten da, wie aus dem Nichts, verhaften den Kontrollierten wie einen richtigen Verbrecher und nehmen den Luftassi mit, weil er ja seine Aussage machen muss. In Wahrheit macht er natürlich keine Aussage, sondern kriegt frei.
Ist allerdings blöd, wenn er fünf Minuten vor Feierabend fündig wird. Oder der Fahrer der Kollegenfahrgemeinschaft ist, dann darf man sich den Rest des Tages auf dem Flughafen herumtreiben, den man sowieso schon in- und auswendig kennt. Aber gut, das ist immer noch angenehmer als durch den Test zu fallen. Je nach Gefährlichkeit eines nicht gefundenen Gegenstandes findet dann eine Nachschulung statt. Oder man fliegt gleich ganz raus.
Judith hat einem unserer Neulinge mal so eine Kontrolle eingebrockt. Der Tester hätte eigentlich durch unsere Kontrollstelle gehen wollen, aber sie hat ihn– natürlich ohne von seiner Aufgabe zu wissen– zwecks Effizienz im Gedränge zur Kontrollstelle nebenan zum Kollegen Hans geschickt. Hans war Mitte vierzig und erst zwei Wochen dabei. Er war nervös, er checkte die Tester, die unauffällig waren wie zwei Pflastersteine. Ich sah nur, dass die beiden irgendwann weitergingen und gleich darauf mit der Bundespolizei wieder bei Hans antraten.
» Sagen Sie mal, bei diesem Passagier eben– war da wirklich alles in Ordnung?«
» Hm? Ja…«
» Wir haben bei ihm einen länglichen Gegenstand an der Wade sichergestellt– ist Ihnen der denn nicht aufgefallen?«
» Ach, der!«
» Ja, der. Haben Sie den denn nicht gefunden?«
» Doch. Natürlich.«
» Ja, und?«
» Na ja, ich war so aufgeregt, und ich wollte nicht unhöflich sein.«
An dieser Stelle mischte sich der vermeintliche Passagier ein und bestätigte:
» Ich war aber auch sehr höflich Ihnen gegenüber.«
Und Hans strahlte ihn an:
» Ja, eben! Genau deshalb.«
Immer wieder eine schöne Antwort. Sie bewahrte den Kollegen allerdings nicht vor einer vierzehntägigen Nachschulung, die es übrigens auch nur
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