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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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eine ungefährliche Flasche Champagner war.
    Es war ein Erfolg auf der ganzen Linie: Unser neuer Escortservice legte den Betrieb konsequent lahm. Die Halle war hoffnungslos überfüllt. Neben Passagieren, die sich zum Zusatz-Check-in durchquälten, gab es auch noch Luftsicherheitsassistenten, die sich mitdrängten, zudem ballten sich an den Kontrollstellen Passagiere, die auf den fehlenden Luftsicherheitsassistenten warteten. Schließlich konnte mit fünf Mann am Gerät immer nur einer weg. Erst, wenn der fehlende Luftsicherheitsassistent zurückgekehrt war, konnte der nächste mit seinem Passagier und dessen Flasche Asti Spumante zum Zusatz-Check-in.
    Die Luft war inzwischen zum Schneiden. Die Leute standen wie die Heringe, ich begann mir ernstlich Sorgen um eine Massenpanik zu machen. Es passierten natürlich auch die üblichen Katastrophen. Auf dem Rückweg vom Zusatzschalter der Lufthansa stellte ich fest, dass sich einer der Passagiere übergeben hatte. Ich rutschte fast in der Suppe aus. Inmitten des Gedränges entstand sofort eine kleine stinkende Lichtung von fünf Quadratmetern Größe. Ich alarmierte den Putzdienst und warnte Judith vor.
    Judith hatte mit mir Dienst und hatte gerade ihren mütterlichen Instinkt entdeckt. Ich nehme an, das hing mit ihrem, unserem Beruf zusammen. Es ist ja nicht wirklich schön, den ganzen Tag Leuten was wegnehmen zu müssen, die einem dafür natürlich auch nicht gerade vor Dankbarkeit um den Hals fallen. Und jetzt sah Judith wohl die einmalige Chance, diesen Leuten mal was Gutes zu tun. Sie musste ihnen zwar immer noch sagen, dass dies und das verboten war, aber sie konnte ihnen auch eine Lösung anbieten. Also dirigierte sie die Wartenden schwitzend nachgerade rudelweise zu diesem Zusatzschalter. Ich konnte ihr nur noch im Vorbeigehen die Warnung vor der freigekotzten Lichtung zurufen. Geholfen hat es nichts. Ich sah sie noch im Gedränge verschwinden, und schon im nächsten Augenblick hörte man einen schrillen Aufschrei. Wenige Minuten später kam Judith zurück und roch gar nicht mehr gut.
    Das machte allerdings den Kohl auch nicht mehr fett. Die ganze Halle roch gleichermaßen furchtbar, weil der Putztrupp es nicht durchs Gedränge schaffte. Es stank, es war eng, es war heiß, es war unglaublich laut, und deshalb griff ich zu meinem letzten Mittel: Ich setzte mir meinen Astronautenhelm auf.
    Diesen Astronautenhelm gibt es natürlich nicht wirklich. Ich stelle ihn mir immer dann vor, wenn gar nichts mehr geht. Eine Glaskuppel rund um meinen Kopf. Außen ist Lärm, innen nicht. Außen ist Gestank, innen nicht. Außen ist Hektik und Panik und Ärger und Wut, und innen ist nur Achim Lucchesi, dem sein Gehirn eine winzig kleine Privatsphäre vorlügt. Ich weiß nicht, ob das bei jedem klappt, mir hilft es, und ich kann versichern: Es ist in solchen Momenten den Versuch auf jeden Fall wert.
    Ich arbeitete dann gewissermaßen auf Autopilot. Ich war dann nicht unfreundlich, aber ich machte keine Witzchen mehr, ich pfiff den Leuten nichts vor, ich war nur noch eine Kontrollmaschine. Ich registrierte, was um mich herum vorging, aber ich bewertete es nicht mehr. Hübsch, hässlich, dick, alt, dreist, höflich, das war dann alles eins. Ich gab kurze Anweisungen, ließ die Leute die Taschen leeren, ließ sie die Arme heben, ich hörte kaum, was sie sagten, es berührte mich nicht, wenn sie maulten, es gab nur noch mich und den Auftrag: kontrollieren, reibungslos kontrollieren. Und ich hätte den Mann auch gar nicht wahrgenommen, wenn er nicht so auffallend pflegeleicht gewesen wäre.
    Er war Mitte oder Ende fünfzig und trug so eine Art Künstlerbarett, Stiefel, Jeans, ein Totenkopf-T-Shirt, alles schwarz. Er war relativ klein, marschierte zügig durch die Torsonde, stand dann– ohne dass ich auch nur einen Piep sagen musste– kerzengerade da, die Beine leicht gespreizt, die Arme ausgebreitet, und er machte ein todernstes Gesicht. Das war so luftassistentenfreundlich, dass ich das Visier meines Astronautenhelms ein wenig hochschob.
    Das Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich kannte es nicht so todernst.
    Ich begann, den Mann zu sonden. Zu finden war nichts. Ich versuchte währenddessen eifrig, mir das Gesicht mit einer anderen Mimik vorzustellen. Politiker? Schauspieler? Lächelte er normalerweise? Schließlich gab ich auf und sagte:
    » Sagen Sie mal, ich kenn Sie doch irgendwoher!«
    Auf dem todernsten Gesicht erschien ein Anflug von Lächeln.
    » Kann sein!«
    Ich überprüfte

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