"Die Bombe is' eh im Koffer"
etwas fehlt, sondern in ihrem Heimatort, der- oder diejenige ohne Arm oder ohne Bein. Wir dachten an die künftige medizinische Versorgung, und wir dachten, dass das hier vor unseren Augen die Folgen jener Kriege waren, die wir nur aus der Tagesschau kannten. Jener nicht enden wollenden Kriege, bei denen irgendein afrikanisches Land irgendein anderes afrikanisches Land überfällt, oder irgendeine Volksgruppe irgendeine andere, und das so oft und anhaltend, dass jeder von uns längst schon bei den Nachrichten genervt mit den Augen rollte, weil diese endlose Gewalt doch nie zu irgendwas führte, was lange genug Bestand hatte, damit es sich lohnte, sich auch nur den Namen des aktuellen Diktators von Nirgendwo zu merken.
Aber diese Kinder waren nicht in der Tagesschau.
Diese Kinder wimmelten und lachten und weinten und krähten und alberten an allen Kontrollstellen in unserem Abschnitt.
Und wir haben auch einige Prothesen nicht durchleuchtet. Wir haben es einfach nicht fertiggebracht. Die Kinder hatten fast nichts dabei außer den Sachen, die sie am Leib trugen, und ihren Prothesen. Es gab Kinder darunter, denen fiel auch nach einem Jahr noch immer jede Bewegung schwer. Ich habe einige gesehen, denen ein Auge fehlte, denen Finger fehlten, die Hand, der Unterarm, der ganze Arm bis hoch zur Schulter. Und ich sah ein Mädchen, ein wirklich hübsches Mädchen, das gerade dabei war, eine junge Frau zu werden, und ihr fehlte ein Bein bis hoch zum Bauch, und ich war in dem Moment nur dankbar, dass ich etwas zu tun hatte, dass ich Prothesen zu durchleuchten hatte oder sonst was. Aber trotzdem: Nein, die Kollegen und ich haben nicht jede Schraube untersucht und geröntgt.
Irgendwo ist Schluss.
Kundenservice
Man mag es oft nicht glauben, aber es bewahrheitet sich immer wieder: Es gibt kaum eine Katastrophe, die man nicht mit etwas gutem Willen noch schlimmer machen könnte. Zum Beispiel die Kontrollstelle A 54.
A 54 liegt am Zugang zum rechten oberen Ende des Y-förmigen Terminals 1 und ist daher ein neuralgischer Punkt: Man kann nämlich an diesem Ausläufer des Terminals ziemlich viele Flugzeuge parken, indem man sie einfach kreisförmig darum herumstellt. Leider bleibt die Breite der Zugangswege immer die gleiche, ganz egal, wie viele Flugzeuge man dort parkt, und als Luftsicherheitsassistent kennt man schon nach wenigen Tagen die Gleichung: Viele Maschinen plus wenig Platz gleich Gedränge. Insbesondere, wenn diese Maschinen vorzugsweise in die USA fliegen und daher nach den schärferen US -Standards kontrolliert werden müssen. Das kann derart höllisch werden wie auf Hell’s Kitchen, der tröstliche Unterschied ist, dass das nicht rund um die Uhr so ist. Aber es gibt Tage, da ist tatsächlich kein Unterschied feststellbar. Und an einem dieser Tage beschloss die Lufthansa, etwas guten Willen zu zeigen.
Die Lufthansa führte eine Regelung ein, die insgesamt drei Tage lang Bestand hatte. Dann wurde sie in aller Stille beigesetzt. Diese kurzlebige Neuerung bestand in einem zusätzlichen Check-in-Schalter. Der Gedanke war der, dass viele Passagiere bei der Personenkontrolle viele Flüssigkeiten abgeben mussten, und dass das die Leute nicht richtig glücklich machte. Also sollte es eine Möglichkeit geben, diese Flüssigkeiten weiter vorne abzugeben, sie sozusagen nachträglich ins Reisegepäck zu stecken, wo man manche Flasche Champagner oder Cognac selbstverständlich völlig problemlos transportieren darf. Diese Regelung bedeutete allerdings, dass man ungefähr die Hälfte der Passagiere doppelt kontrollieren musste. Nämlich zum ersten Mal, wenn sie kamen und man ihnen den Champagner abnahm, dann das zweite Mal, nachdem sie zurückgegangen waren und den Champagner der Dame von der Lufthansa in die Hand gedrückt hatten.
Man muss zugeben: Das war schon sehr effizient. Mit nur einer Idee hatte die Lufthansa aus zweitausend zu kontrollierenden Passagieren dreitausend gemacht. Aber damit war der Einfallsreichtum des Unternehmens noch nicht erschöpft. Eine weitere Arbeitsgruppe hatte sich offenbar noch Gedanken gemacht, wie man parallel dazu das Personal verringern konnte, und war auf eine verblüffend simple Lösung gestoßen: Man schickte einfach jeweils einen Luftsicherheitsassistenten mit. Wenn also der Passagier seine Flasche Champagner doch lieber abgeben wollte, musste ihn ein Luftsicherheitsassistent begleiten, damit er der Dame von der Lufthansa bestätigen konnte, dass diese Flasche Champagner wirklich nur
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