"Die Bombe is' eh im Koffer"
gar nicht die Mühe, mit dem vorgeschriebenen Sonden zu beginnen, sondern hielt dem Druiden einfach die Sonde vor die Brust– und schon klingelte es.
» Guten Morgen, ich muss Sie leider kontrollieren.«
» Jaja, kontrollieren Sie nur. Hier wird ja alles kontrolliert!«
» Stimmt. Alles, was klingelt.«
» Alles und überall und jeder.«
» Was haben Sie denn da unter Ihrem Hemd?«
» Nichts, ich hab da nichts.«
Ich seufzte. So früh am Morgen will man eigentlich nicht gleich diskutieren.
» Sehen Sie«, sagte ich zu ihm, » diese Sonde hier«, und dabei deutete ich auf die Sonde, als wäre ich in der » Sendung mit der Maus«, » diese Sonde hier klingelt doch nicht, weil’s Weihnachten ist. Sondern wegen Ihrem Hemd. Also bitte: Was ist da drunter?«
» Was geht Sie das an?«
Irgendwie war mir nach einem kühlen Umschlag.
Oder einem Schnaps.
» Tragen Sie vielleicht einen Brustbeutel?«
» Und wenn?«
» Dann würde ich den gern mal sehen.«
» Warum?«
Früher, als ich noch neu war, habe ich an solchen Stellen im Dialog ganz gerne mal gesagt:
» Um sicherzugehen, dass Sie kein Känguruh sind.«
Aber diese Zeit schien plötzlich Jahrzehnte hinter mir zu liegen. Mit den Jahren lernt man, dass Ironie nur für den Moment erleichternd wirkt. Langfristig hilft sie nicht weiter. Sie prallt an den Köpfen ab wie ein Schneeball an einem Flugzeugträger. Leider.
» Weil dies hier eine Sicherheitskontrolle ist.«
» Sie sind ein Nazi!«
Das kam jetzt ein wenig unvermittelt, bereicherte aber zugegebenerweise die Diskussion um einen völlig neuen, erfrischenden Aspekt.
» Ich glaube, Sie tragen auch noch eine Bauchtasche«, vermutete ich munter zurück. » Und einen Geldgürtel.«
» Na und? Sie sind trotzdem ein Nazi.«
Im Prinzip hatte der Mann vollkommen Recht: Es ist ohnehin schon schwer genug, diese Naziverbrecher aufzuspüren. Wenn man dann mal einen gefunden hat, soll man es ihm nicht so leichtmachen, davonzukommen.
» Kann es sein, dass Sie auch eine Oberschenkelmanschette tragen?«
» Ich wandere aus nach Chile, da gibt es keine Nazis.«
» Das ist sehr interessant, aber ich muss all diese Sachen trotzdem aus Sicherheitsgründen in Augenschein nehmen. Also bitte!«
» Deshalb wandere ich ja nach Chile aus. Kontrolle, Überwachung überall, jeder weiß über jeden Bescheid, Verrat an allen Ecken und Kanten. Es gibt bald wieder Krieg, das sehe ich doch an dir.«
Das war beunruhigend. Erst heute Morgen hatte ich noch in den Spiegel geguckt, und da war von Krieg überhaupt nichts zu sehen.
» Wieso an mir?«
» Das ist doch alles schon vorbereitet! Da stehst du vor mir, blond, blauäugig, zwei Meter groß, Arier, Leibstandarte Adolf Hitler, und ich will nach Chile auswandern. Das darf ich wohl nicht und muss jetzt ins KZ .«
Ich schloss kurz die Augen und versuchte, positiv zu denken. An schöne Dinge.
Von mir aus auch aus Chile.
Kräftiger Rotwein.
Die Abdankung von Pinochet.
Seelers Kopfballtor gegen Chile bei der Fußball- WM 1962.
Nach dieser Flanke von Brülls, und Seeler hechtet hinein wie in ein Schwimmbecken und köpft praktisch von unterhalb des Rasens ins Netz.
Solche Tore werden heute gar nicht mehr gemacht.
Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, wie der Kunststoff-Catweazle sein Hemd aufriss. Es hätte imposanter wirken können, wenn er es in Zeitlupe gemacht hätte, ein Aufschrei der gequälten Seele. Aber auch wenn es mehr wie ein vom Alter zermürbtes Aufrupfen rüberkam – ein Hingucker war’s in jedem Fall. Dann begann er an seiner Hose herumzuknöpfen.
Das zog einige Blicke auf sich. Praktisch alle von den Schlangen der benachbarten Kontrollstellen und eine schön dicke Traube hinter der Kontrollstelle widmeten sich der Stripeinlage des älteren Herrn, moderiert vom Sicherheitsassistenten Lucchesi, dem Zwei-Meter-Nazi Ihres Vertrauens.
Eigentlich fehlte nur noch das Kamerateam von Phoenix.
Ich wollte gerade verhindern, dass die aufgeknöpfte Hose fallen würde, als die Torsonde hinter mir schon wieder klingelte wie ein Hauptgewinn. Ich drehte mich um. Vor mir stand eine Dame. Sie passte altersmäßig ganz gut zu dem aufgerissenen Plastikhemd hinter mir. Auf ihrem Kopf türmte sich eine aschgraue Betonfrisur, die man vermutlich in einem Stück aufsetzen konnte, wie bei einem Playmobil-Mädchen. Das Klingeln hatte einen Bundespolizisten alarmiert, der sich zu uns in Bewegung setzte. Er sollte es noch bereuen.
» Ich werde Sie anzeigen!«, kam aus dem
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