Die Botin des Koenigs reiter2
Erinnerungen, aus einem fernen Land an diesen Ort gesegelt zu sein.
Ich war einmal ein Mensch. Dessen war sich das Bewusstsein sicher. Und nicht nur das, es – er – war ein Anführer gewesen.
Plötzlich wollte es wissen, wie es wäre, wieder ein Mensch zu sein. Vielleicht konnte der, der hier lag, ihm eine Antwort geben, wenn er sich mit ihm verband.
Das Bewusstsein wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Tausenden von Ameisen zu, die über die winzigen Blättchen des Mooses zogen, das es derzeit bewohnte. Eifrig lenkte es die Ameisen ab, schickte sie zu einem toten Tier, das irgendwo tiefer im Wald verweste. Das Bewusstsein hatte die Macht, dem Wald zu befehlen, der Wald zu sein. Aber es wollte verstehen, wie man ein Mensch war.
Es nahm sich eine Ameise aus der Reihe. Das Bewusstsein wurde Teil der Ameise, wies sie an, auf die Stiefelspitze des Mannes zu klettern, an seinem Bein entlang, an der Hüfte, weiter über die Falten der Kleidung über Bauch und Brust.
Das Bewusstsein rutschte zur Seite und ließ die Ameise sich einen Weg um etwas auf der Brust des Mannes herum suchen. Etwas, das Nichts war. Das war irgendwie widersprüchlich
und sinnlos, aber das Bewusstsein bemerkte, dass dort eine Macht am Werk war und dass das Nichts das Etwas beschützte, indem es dieses verbarg.
Eine Macht. Die Kunst.
Verwirrt kroch die Ameise im Kreis darum herum, erfuhr aber nicht mehr als zuvor. Das Bewusstsein beschloss, diese Stelle hinter sich lassen und später darüber nachzudenken. Es setzte seine Erforschung fort, stieg auf den Hals des Mannes, folgte Lippen und Wangen, tauchte in die Senke der Augen.
An der Wange gestattete das Bewusstsein der Ameise zu tun, was ihr Instinkt ihr befahl. Beißen. Gift drang unter die Haut des Mannes. Das Bewusstsein verhinderte, dass die Ameise das kleine Stück Fleisch ins Nest brachte, und beeinflusste sie stattdessen, es zu fressen.
Die Ameise hatte kein besonders entwickeltes Geschmacksempfinden, aber es war ohnehin mehr die Essenz des Mannes, die das Bewusstsein suchte, die Konsistenz des Fleischs, die Bedeutung des Bluts.
Eine Unruhe nahe dem Wall lenkte das Bewusstsein ab. Es sandte einen Teil von sich durch Laub und Moos dorthin. Die Hüter hatten aufgehört zu schreien, aber sie waren angespannt.
Stiefel bewegten sich über den Boden.
Menschen.
Das Bewusstsein nahm an, dass sie den suchten, der bewusstlos tiefer im Wald lag. Es wollte nicht, dass sie ihn fanden, denn es war neugierig, weil dieser Mann etwas von der Kunst in sich hatte, und es wollte herausfinden, wieso die Hüter so besorgt um ihn waren.
Es ließ einfach den Boden unter ihren Stiefeln aufbrechen, das Moos aufklaffen wie ein großes Maul. Es schlang Wurzeln um ihre Beine und Oberkörper und zog sie nach unten.
Es spürte die Vibrationen ihrer Schreie, aber Schreie waren harmlos. Der Stahl, mit dem sie sich gerüstet hatten, konnte sie nicht schützen, denn die Baumwurzeln waren stärker.
Es rollte eine Decke aus Moos über die Männer und benutzte die Wurzeln, um sie noch tiefer zu ziehen und sie zu zerreißen. Aaskäfer und andere Erdbewohner des Waldes würden sich um den Rest kümmern.
All dieser plötzliche Kontakt mit Menschen weckte Erinnerungen an andere Menschen, die das Bewusstsein gekannt hatte. Da war dieser gebrechliche ältere Mann, der hoch auf einem goldenen Thron saß. Eine Vaterfigur, ein Mann, der ihn sehr gern gehabt hatte. Arcos.
Dann gab es andere – Varadgrim, ja, der treue Varadgrim, und Lichant aus dem Osten, Mirdhwell aus dem Westen und Terandon aus dem Süden. Alles treue Vasallen, alles Freunde. Anders als die Ameisen waren sie Eingeborene dieses Landes. Das Bewusstsein rief nach ihnen, und es konnte Varadgrim irgendwo dort draußen spüren, aber er war weit weg. Von Lichant und Terandon gab es keine Antwort, aber Mirdhwell regte sich …
Und dann war da der Mann, der dem Bewusstsein am meisten bedeutet hatte, oder dem Mann, der es einmal gewesen war. Hadriax.
Mein guter Freud, mein bester Freund.
Sehnsucht ließ Regen in den Wald fließen, plätscherte auf das Gesicht des Mannes. Einem Impuls folgend, rief das Bewusstsein nach Hadriax, und zu seiner Überraschung spürte es etwas, ein kurzes Flackern von Leben. Das Bewusstsein verfolgte es, und sobald es sein Ziel fand, klammerte es sich daran.
Nein, das war nicht Hadriax, aber etwas von ihm existierte in diesem Menschen. Als das Bewusstsein weitertastete,
fand es den Abdruck einer vertrauten Aura der Macht, aber
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