Die Botin des Koenigs reiter2
bemerkte, dass sie gar nicht im Schnee kniete, sondern in einem Raum aus Stein, und nicht an einem Baum lehnte, sondern an einer gerillten Säule.
Mühsam versuchte sie, das alles zu begreifen.
Säulen umgaben den gesamten Raum, und ein grüner ovaler Stein glitzerte auf einem Podest in seiner Mitte. Über dem Podest schwebte eine dunkle Wolke, in der Sterne leuchteten? Ein alter Mann ging neben dem Podest auf und ab. Er harkte sich mit den Fingern durch den langen Bart, und aus irgendeinem Grund hatte sie ein zweites Bild von ihm vor Augen, wie er auf einer weiten nachtdunklen Ebene auf und ab ging.
»Schrecklich, oh, schrecklich«, murmelte er.
Hinter dem alten Mann und dem Podest, auf der anderen Seite der Kammer, stand ein Eleter. Karigan wusste nicht, wo sie war oder warum sie sich hier aufhielt. Sie hatte keine Ahnung, worum es hier ging, aber sie erkannte den Eleter mit den Stacheln an Schultern und Unterarmen seiner Rüstung. Er hatte einen Pfeil auf den Bogen gelegt. Die Pfeilspitze glitzerte, und Karigan konnte die Ziellinie spüren, die direkt in ihr Herz ging.
Sie konnte sich nicht regen, konnte nicht sprechen.
»Die Zeit des Wartens ist vorüber«, sagte der Eleter. »Und trotz der Warnung bist du zum Wall gekommen.«
»Wir wollen doch vernünftig sein«, erklärte der alte Mann. »Im Augenblick befinden wir uns in einer Krise und …«
»Ich rede nicht mit Illusionen«, fauchte der Eleter. »Ich habe eine Pflicht zu erfüllen.«
»Das ist empörend«, stotterte der alte Mann. »Der Wall ist …«
»Empörend ist, dass Galadheon hier voll vergifteter wilder Magie steckt.«
»Tatsächlich?« Der alte Mann wandte sich Karigan zu und zog eine buschige Braue hoch.
»Magie«, fuhr der Eleter fort, »die zur Zerstörung des Walls führen könnte.«
Karigan wurde zornig, und der Zorn wärmte sie. Sie kam unsicher auf die Beine und hielt die Luft an, als sie die Wunde unter ihren Rippen spürte.
»Sie gefährdet den Wall?«, fragte der alte Mann. »Wie dieser Reiter, der behauptet, ein Deyer zu sein?«
Sowohl Karigan als auch der Eleter starrten den alten Mann verblüfft an.
»Alton?« Das war das erste Wort, das Karigan herausbrachte. Sie war seltsam heiser.
»Ja«, sagte der alte Mann. »So hat er sich genannt. Und er hat behauptet, er wolle den Wall reparieren. Er ist jetzt mit ihm verbunden und zerstört ihn stattdessen.« Er zupfte sich am Bart, und die Verzweiflung war ihm deutlich anzusehen.
»Wo?«, krächzte Karigan.
»Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete der alte Mann. »Es scheint, ihr Reiter seid zu Verrätern geworden. So viele Leben wurden geopfert, um diesen Wall zu errichten, und jetzt wollt ihr ihn zerstören.«
»Nein!«, rief sie. »Mornhavon hat – wir …«
»Du trägst sein Gift in dir«, sagte der Eleter und spannte den Bogen.
»Nein, das verstehst du falsch!«
Noch während sie das sagte, ließ der Eleter die Sehne los. Der Pfeil raste auf sie zu, und sie konnte sich nicht rühren. Dann riss sie ein vertrautes Zerren an ihrer Brosche durch die Zeit, so kurz, dass sie nur einen Augenblick weit getragen wurde. Als die Reise abrupt zu Ende ging, stand Karigan an der gleichen Stelle wie zuvor, aber der Pfeil des Eleters schlug klappernd gegen die Wand hinter ihr, als wäre er durch sie hindurchgegangen. Das alles geschah in der Spanne eines Herzschlags.
Ab jetzt musst du allein zurechtkommen, sagte die weit
entfernte Stimme von Lil Ambrioth. Ich kann dir nicht mehr helfen.
Der Eleter verzog das Gesicht und griff nach einem neuen Pfeil, als hinter ihm auf der Wand leuchtende Silberrunen erschienen.
Ein Mann kam durch die Wand. Er sah wild und ungepflegt aus, in seinen Augen stand ein gehetzter Ausdruck. Seine Kleidung hing ihm in schmutzigen Fetzen am Leib. Mit einiger Überraschung erkannte Karigan Altons unangenehmen Vetter Pendric.
Die Runen sammelten sich auf dem Stein unter seinen Füßen, und er schien nichts anderes zu sehen als sie. Leuchtend zogen sie sich durch den Raum und unter einem Torbogen hindurch in den dunklen Flur dahinter. Pendric folgte ihnen, und Karigan eilte hinter ihm her.
Die Runen beleuchteten den kurzen Flur, der an der Steinmauer endete. Auf dem Boden dort lag Alton.
»Alton!«, rief sie. Sie schob Pendric beiseite und kniete sich neben ihn, legte ihm die Hand auf die Brust. Sein Atem war kaum spürbar. Sie hätte ihn beinahe für tot gehalten.
Pendric beugte sich über sie, die Fäuste geballt, das Gesicht von Wut und
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