Die Botin des Koenigs reiter2
sagte er. »So wahr ich lebe und atme – ich kann dich sehen, Liliedhe Ambriodhe.«
»Nur, dass du weder lebst noch atmest«, entgegnete sie.
»Hmpf. Du aber auch nicht.«
»Ich zumindest akzeptiere das.«
Merdigen schnaubte. »Und was, wenn ich fragen darf, hat dich dann dazu getrieben, den Körper dieser jungen Frau in Besitz zu nehmen?«
»Ich habe ihn nicht in Besitz genommen, ich habe ihn nur geliehen – um das Leben dieses Reiters zu retten.«
»Hmpf.« Merdigen zupfte an seinem Bart und zog die buschigen Brauen zusammen. »Spar dir die Mühe.«
»Wie? Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden.«
»Ich sagte, spar dir die Mühe. Der Wall wird fallen, und dann ist ohnehin alles verloren.«
Als Lil ungläubig schwieg, fügte er hinzu: »Einer von deinen Reitern hat behauptet, er hätte vor, den Wall zu reparieren. Stattdessen untergräbt er ihn.«
Lil wollte etwas sagen, wollte behaupten, dass das unmöglich sei, aber genau in diesem Augenblick ließ ihre Energie nach, flackerte und schwankte, und sie musste sich anstrengen, die Verbindung zu Karigan zu halten. Als sie spürte, wie ihr Karigan entglitt, wuchs auf der anderen Seite des Raums eine Hand aus dem Stein, dann noch eine. Es folgten ein Gesicht und die ganze Gestalt. Am Ende betrat ein Eleter in weißer Rüstung den Raum.
PENDRIC
Nachdem sein Vater im Schwarzschleierwald umgekommen war, versuchten die Soldaten zunächst, sich um Pendric zu kümmern. Hauptmann Reems bot ihm eine Eskorte an, falls er die Überreste seines Vaters zum Stammsitz der Familie bringen wollte.
Er hätte nichts lieber getan als zu gehen. Aber er wusste, wenn er sich vom Wall entfernte, würde ihn das endgültig um den Verstand bringen. Die Stimmen waren noch beharrlicher, noch verzweifelter geworden.
Also blieb er. Anfangs wandten sich die Soldaten an ihn, weil er den höchsten Rang hatte, aber er hatte ihnen nichts zu bieten, keine Führerschaft, keine Weisheit, nichts. Er hatte nichts als die Stimmen in seinem Kopf.
Er ging nur noch ins Lager, um sich Essen und Wein zu holen, und die Soldaten bemerkten bald, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war, und sie begannen, Abstand von ihm zu halten, als sei er ein wildes Tier.
Die Stimmen schrien ihn um Hilfe an, flehten ihn an, zu ihnen zu kommen.
»Ich bin verrückt, ich bin verrückt!« Er schlug sich gegen die Stirn, um die Stimmen herauszuhämmern.
Das war alles Altons Schuld – das wusste er einfach. Alton hatte ihn immer gehasst, und nun brachte er ihn um den Verstand.
Es genügte nicht, dass sein Vetter Lady Valia und Landrew getötet hatte, nein, er musste auch noch Pendrics Verstand zerstören.
Plötzlich erklang eine Stimme, die er erkannte. Eine ruhige, rhythmische Stimme, vor der alle anderen zurückwichen. Alton!
Wenn die anderen Stimmen vor Alton zurückwichen, dann waren sie sicher nicht auf der Seite des Bösen. Und sie riefen um Hilfe. Ja, sie hatten die ganze Zeit nur seine Hilfe gewollt.
Nun gestattete er den Stimmen, ihn zu führen. Er lief, bis er zu einem Turm in dem großen steinernen Wall kam. Überrascht blinzelnd hielt er inne, als er Altons Pferd vor dem Turm stehen sah, das dunkle Fell matt, der Schweif voller Kletten. Die Rippen des Tiers waren deutlich zu erkennen, so dünn war es geworden.
Alton, schloss Pendric, war irgendwo in diesem Turm und tat Böses. Er hatte keine andere Wahl, er musste ebenfalls hineingehen und ihn aufhalten.
EIN ELETISCHER PFEIL
Karigan! Sie hörte ihren Namen von weither, als sie dort im verschneiten Wald kniete, die Arme um den Oberkörper geschlungen, mit einer Schulter an einen Baumstamm gelehnt. Sie schloss die Augen. Ihr war so kalt, dass sie es schon gar nicht mehr spürte.
Der Ruf war zu weit entfernt, und sie war zu müde, um zu antworten. Sie sank tief in Dunkelheit und Frieden.
Ein Horn erklang, und Schnee löste sich von den Zweigen über ihr und fiel ihr auf den Kopf. Sie öffnete die Augen. Das Horn erklang abermals, und sie erkannte den Ruf, den Reiterruf.
Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Erst hatte dieser Ruf sie gezwungen, ein Grüner Reiter zu werden, und jetzt zwang er sie, diesen Ort der Ruhe zu verlassen. Sie beschloss, ihn zu ignorieren und die Augen zu schließen. Sie hatte den Ruf schon öfter ignoriert, und sie konnte es wieder tun.
Aber es sollte nicht sein. Es war, als hätte sie jemand an der Jacke gepackt und ihr mehrere Ohrfeigen verpasst. Ihre Wangen glühten, und Licht drang in ihre Augen. Sie
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