Die Botin des Koenigs reiter2
ihrem Ellbogen.
»Hauptmann?«, fragte Karigan mit wachsender Besorgnis. »Was ist los? Ich habe gerade Mara und Reita gesehen.«
Ohne aufzublicken, sagte der Hauptmann mit belegter Stimme: »Reitas Brosche hat sie verlassen. Sie war erst anderthalb Jahre bei uns, und ihre Brosche hat sie verlassen.«
Reita war kein Grüner Reiter mehr. Kein Wunder, dass sie sich in einer Art Schockzustand befand. Sie liebte den Botendienst, und die anderen Reiter waren ihre einzige Familie. Sie hatte nicht nur eine Arbeit verloren, die sie geliebt hatte, sondern sie würde auch nicht mehr bei ihrer »Familie« bleiben können.
»So kurz ist die Brosche noch nie bei einem Reiter geblieben. « Die Worte kamen immerhin von einer Frau, die den größten Teil ihres Erwachsenenlebens als Grüner Reiter verbracht hatte. Sie hatte in ihren Dienstjahren viele Reiter kommen und gehen sehen, aber Karigan spürte deutlich, dass sie dieses Ereignis besonders schwer getroffen hatte.
»Es ist seltsam«, sagte der Hauptmann. »Die kürzeste Dienstzeit, die ich je erlebt habe, waren drei Jahre. Fünf sind üblicher – es sei denn, wenn ein Reiter stirbt.«
Das war nicht nur seltsam, dachte Karigan, sondern irgendetwas daran war zutiefst falsch.
Ja, falsch, schien eine andere Stimme ihre Worte zu wiederholen.
Sie schauderte und nahm an, dass Dakrias’ Berichte über geisterhafte Gespräche sie durcheinandergebracht hatten.
»Karigan …« Laren rieb sich das Gesicht, als wäre sie müde. »Du bist für den Rest des Tages entschuldigt, es sei denn, Mara braucht mehr Hilfe mit Reita.«
Karigan nickte, dann wollte sie gehen.
»Einen Moment noch.« Hauptmann Mebstone griff nach unten und holte einen großen Lederbeutel vom Boden. »Das ist für dich, von Waffenmeister Drent. Sei vorsichtig, es ist schwer.«
Karigan griff mit der linken Hand nach der Schnur des Beutels, und sofort zog das Gewicht ihre Hand nach unten. Als sie den Beutel absetzte, hörte sie ein metallisches Klirren. Sie öffnete den Beutel und fand darin Eisenkugeln von unterschiedlicher Größe. Handgewichte!
»Du wirst dich morgen pünktlich um neun Uhr bei Waffenmeister Drent einfinden«, sagte Laren. »Du wirst das Pfundgewicht mitbringen.«
Drent? Karigan setzte zum Widerspruch an, aber Hauptmann Mebstone kam ihr zuvor.
»Buße«, sagte sie mit einem schiefen, freudlosen Grinsen.
DIE MUSIK DER NACHT
In der hellen Sternennacht trabte ein Pferd mit flinkem Hufeklappern die Straße entlang, und sein Reiter summte ein neues Lied, das zu dem Rhythmus passte. Die Frösche in dem Sumpf, an dem er vorbeikam, und das Zirpen der Grillen bildeten die Begleitung zu seinem Gesang. Musik war Herol Carons Leben, und er versuchte, jeden Augenblick damit zu füllen. Seine Mutter behauptete, dass er schon singend zur Welt gekommen sei.
Herol war unterwegs, weil Estral Andovian ihn geschickt hatte. Estral hatte ein Manuskript, das einem Grünen Reiter, einer Freundin von ihr, in Sacor übergeben werden musste, und sonst war niemand da gewesen, der es ihr bringen konnte. Estral war sich der Ironie der Situation durchaus bewusst gewesen. Herol lächelte, als er sich daran erinnerte, wie sie in der Bibliothek von Selium gestanden hatte, die Hände auf den Hüften, und die Götter gereizt gefragt hatte: »Wo sind diese Grünen Reiter, wenn man sie braucht?« Sie hatte ausgesehen, als erwarte sie tatsächlich, dass plötzlich einer erscheinen würde.
Herol hatte angeboten, seine Route zu ändern, um das Manuskript nach Sacor bringen zu können, und Estral hatte das Angebot gerne angenommen. Er hatte nichts gegen solche Umwege, ganz und gar nicht. Spielleute überbrachten häufig Botschaften, Briefe und kleine Päckchen, während sie durch
das Land streiften. Und er würde das Manuskript zur Burg bringen. Er hoffte, dort jemanden überreden zu können, ihn bei Hof singen und spielen zu lassen, vielleicht sogar vor König Zacharias selbst.
Wahrscheinlich würde er bessere Aussichten haben, wenn er ein Meisterspielmann und kein Geselle im ersten Jahr wäre. Aber selbst wenn er nicht für den Hof von König Zacharias spielen konnte, würden die Diener der Burg sicherlich ein wenig Unterhaltung zu schätzen wissen und dafür sorgen, dass er gut zu essen und eine warme Unterkunft bekam.
Er kannte auch ein paar Gasthäuser in Sacor, wo er wahrscheinlich hervorragende Trinkgelder erhalten würde.
Er schnalzte dem Pferd zu, um den Rhythmus zu halten, und erfreute sich am Klirren des
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