Die Botschaft Der Novizin
verurteilt.«
»Wir hätten etwas in Händen gehalten, das uns den Schutz und den offiziellen Dispens der Kirche gewährt hätte«, sagte Suor Anna.
»Das klingt«, meinte Isabella, »als hättet Ihr bereits darüber nachgedacht.«
Suor Anna nickte. » Wir haben darüber nachgedacht«, betonte sie. »Wir, nicht ich.«
»Wen meint Ihr damit?«
Suor Anna zögerte, nahm das Kind hoch und legte es in die Wiege zurück. »Ich muss es noch wickeln.«
»Meint Ihr Euch und den Vater des Kindes?«, hakte Isabella nach.
»Soll das ein Versuch sein, mir den Namen des Vaters zu entlocken? Es wird dir nicht gelingen«, erwiderte sie und verzog den Mund.
»Suor Anna. Ich bitte Euch. Hätte ich nicht längst danach fragen können? Habe ich es getan?«
Das Kind begann in der Wiege zu quengeln, und die Chornonne richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Kleine. Als sie sich wieder Isabella zuwandte, hatte sich der bittere Zug um ihren Mund verloren. »Tut mir leid. Ich ... Du hast tatsächlich noch nie danach gefragt. Wir , das waren deine Tante Francesca, Maria und ich. Signora Artella hat zu uns gehalten, auch wenn sie selbst nicht die Absicht hat, das Kloster zu verlassen. Sie sei zu alt dafür, hat sie immer betont. Sie unterstützte uns jedoch.«
Isabella musste schlucken. Suor Francesca und Suor Maria waren tot. Hatten der Fluchtplan und ihr Tod miteinander zu tun? »Du hättest nicht fortlaufen dürfen«, ergänzte Suor Anna. »Signora Artella hat sich tatsächlich Sorgen um dich gemacht.«
Von der Verlängerung des Gangs herüber drang das Schluchzen eines der Mädchen. Es berührte Isabella tief, weil sie so hilflos war und ihr Elend so nahe und doch so weit entfernt, dass sie ihr unmöglich helfen konnte.
»Ihr sagtet eben etwas von einem Dispens der Kirche. Wie hättet Ihr den erhalten wollen?«
Suor Anna legte einen Finger an den Mund, dann ging sie zur Tür und schob sie vorsichtig auf. Sie steckte den Kopf durch den Spalt und spähte nach draußen. Dann schloss sie die Tür wieder und setzte sich erneut auf die Bettstatt. »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Unsere Mitstreiterinnen sind tot. Sie haben das gesucht, nach dem du gerade suchst.«
Isabella konnte nicht mehr an sich halten. Sie kramte in ihrem Ärmel und zog den Klosterplan daraus hervor.
»Eine Karte des Klosters, wie es vor dreihundert oder vierhundertJahren ausgesehen hat«, sagte sie und strich das Blatt auf der Pritsche glatt. »Ich habe sie von Padre Antonio ... sagen wir ... ausgeliehen.«
»Du hast was? «, fragte Anna verblüfft.
»Woher er sie hat, weiß ich nicht. Aber ich dachte mir, bevor er findet, was wir suchen, finden wir es besser selbst.« Sie grinste. »Ich kenne das vierte Symbol. Nur kann ich den Plan nicht richtig deuten. Vielleicht haben wir zu zweit mehr Erfolg.«
Suor Anna sah auf das Blatt, und ihre Augen glänzten.
Ein schriller Schrei und das Gelächter einer Horde Männer in der Schänke ließ sie aufschrecken. Fäuste hieben im Takt auf die Bohlen der Tische ein, und ein hässliches Gelächter und Pfiffe begleiteten das Kreischen einer Frau.
KAPITEL 44 Beide Frauen knieten auf dem Boden und hatten die Karte zwischen sich gelegt. Mit einem Stück Holzkohle, wie Maler sie verwendeten, um Vorskizzen zu machen, hatte Isabella die Lage der von den Initialen angezeigten Hinweise eingezeichnet. Sie bildeten auf dem Klosterplan tatsächlich ein Kreuz in der Form eines X.
»So weit, so gut«, sagte Suor Anna und gab der Wiege neben ihr einen sanften Stoß. Die kleine Francesca knurrte daraufhin wie ein junger Hund, schmatzte ein wenig und schlief weiter, beruhigt durch die Stimmen der Frauen und das wohltuende Schaukeln. »Doch was hat das zu bedeuten?«
Auch Isabella starrte auf die Kreuzform. Sie versuchte, sich die Bildnisse vor ihrem inneren Auge aufzurufen. Sie mussten eine besondere Bedeutung haben, die sich dem erschloss, der sich auf ihre Symbolik einließ. Außerdem vermutete sie, dass sich die Lösung nicht allzu kompliziert gestaltete, denn einfache Nonnen ohne große Ausbildung mussten sie schließlich verstehen. Sicherlich hatte man damit gerechnet, dass das Wissen um das Versteck verloren gehen könnte.
»Lass mich laut nachdenken«, begann sie und drehte sich den Plan so zurecht, dass sie vom Eingang her auf die Kreuzform blicken konnte. »Links im Kreuzgang befindet sich der Turban-träger, der aus dem Laubdickicht herausschaut.«
»In welche Richtung schaut er?«, warf Suor Anna dazwischen. »Doch
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