Die Botschaft Der Novizin
verschlossen, was sie sich beinahe gedacht hatte. Entschlossen hämmerte sie mit der Faust dagegen und hoffte, Marcello würde sie hören. Ihr Wummern dröhnte laut in der Stille. Isabella erschrak derart, dass sie sofort aufhörte.
»Marcello«, flüsterte sie nur, die Stirn gegen die Tür gedrückt, weil sie draußen nichts und niemanden vernahm. »Bitte, Marcello!« Vor der Pforte rührte sich nichts. Marcello war längst gegangen. Wer wartete schon zwei Stunden?
Sie verdiente es nicht anders, schließlich hatte sie den Jungen verraten, hatte ihn mit leichter Hand gegen einen Geistlichen eingetauscht, der ihr Vater hätte sein können.
Dieser Padre Antonio! Ganz schlau wurde sie aus ihm nicht. Einerseits war er wie Wachs in ihrer Hand, andererseits fühlte sie, dass er skrupellos seine Interessen vertreten konnte, dass ihr die wahren Beweggründe seines Verhaltens noch gar nicht bekannt waren. Als er die dunkle Gestalt am Brunnen herausgefordert hatte, hatte er mit dem einen Satz, den er in die Tiefegebrüllt hatte, ein Todesurteil gefällt. Nicht seines, sondern das Suor Annas. Nur sie kannte den dunklen Mönch. Was Padre Antonio freilich nicht wusste; sie war nie dazu gekommen, ihm alles von dem belauschten Gespräch zu erzählen. Sie fragte sich, ob sie es überhaupt tun sollte.
Ein letztes Mal klopfte sie mit der Faust gegen die Eichenpforte, die nur Marcello von außen öffnen konnte. »Marcello, bitte!« Es war kein Flüstern mehr von ihr, sondern ein Jammern. Was, wenn sich jetzt der Schwarzgekleidete in diesen Gängen herumtrieb, wenn er sie gehört hatte und auf dem Weg zu ihr war? Ein Schauer überzog ihren Rücken und ließ sie frösteln. Sie fühlte, wie ihre Arme zitterten und ihre Beine versagen wollten.
Da hörte sie von der anderen Seite her ein Rascheln, Schritte, endlich eine Stimme.
»Wer ist da?«, klang es dumpf durch die Pforte hindurch. Freude und Dankbarkeit brandeten in ihr auf. Sie hatte sich nicht in Marcello getäuscht.
»Ich bin’s! Isabella!« Die Erleichterung trieb ihr Tränen in die Augen. Sie schluchzte auf und spürte, wie es feucht die Wangen hinunterlief.
Ein Schlüssel wurde in das Schloss gestoßen, gedreht, und die Tür öffnete sich. Sie floh regelrecht aus der bedrückenden Stille hinter ihr und fiel Marcello in die Arme.
»Gott sei Dank bist du noch da!«, seufzte sie und drückte sich an ihn. Nur langsam wich die unbestimmte Furcht, die sie im Gang befallen hatte, der Erleichterung. Sie wollte Marcello erst nicht freigeben, doch dieser bestand darauf, die Pforte wieder zu schließen und den Schlüssel an den vorgesehenen Platz zu legen. »Komm, lass uns von hier verschwinden!«, drängte Isabella, doch Marcello legte einen Finger an den Mund.
»Leise!«, flüsterte er. »Wir müssen warten. Die Kanäle wimmeln nur so von den Herren der Nacht. Wir müssen vorsichtig sein! Sie halten jeden auf, den sie hier antreffen.Unter derFeige und diesem Busch hier sind wir noch vor Blicken vom Kanal aus geschützt. «
Überrascht schaute Isabella auf. »Was ist geschehen?«
»Ich weiß es nicht, doch der Patriarch hat sie rufen lassen, so viel habe ich verstanden. Ottavio, der Sohn unseres Nachbarn, ist einer von ihnen. Ich habe mit ihm gesprochen. So viel durfte er mir erzählen.«
Anna! , schoss es ihr sofort durch den Kopf. Sie suchten Suor Anna. Eben hatte sie noch an sie gedacht ...
Ihr Magen verkrampfte sich. Isabella sah sich um. Auf dem Streifen des hinteren Gartens wucherte das Unkraut seit Jahren ungezügelt. Sie erinnerte sich an den schmalen Pfad, der an dem großen Feigenbaum vorüberführte.
»Warte hier!«, befahl sie, fasste Marcello bei der Hüfte und drehte ihn mit dem Gesicht zur Pforte. »Und wag es ja nicht, dich zu mir umzudrehen!« Sie hatte zwischen dem riesigen Feigenbaum und dem Busch einen Zwischenraum erspäht.
»Was hast du vor?« Marcello drehte sich zu ihr um. »Mach keine Dummheit, Isabella.«
»Dass Männer immer so dumm fragen müssen. Jetzt dreh dich weg, ich ... ich muss ein ... Geschäft verrichten, bei dem ich deine neugierigen Blicke nun wirklich nicht gebrauchen kann!«
Endlich verstand Marcello, denn er lief rot an und drehte ihr tatsächlich den Rücken zu. Isabella huschte bis zu der Stelle, die sie eben ausgemacht hatte, schlüpfte ins Dickicht und hockte sich nieder. Mit nervösem Blick prüfte sie, ob Marcello auch nicht hersah. Dann versuchte sie durch das Dickicht hindurch den Kanal auszukundschaften.
Erst als sie
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