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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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wieder an seinen Platz. Dann zog Isabella den Brief der Tante aus dem Ärmel, glättete ihn und begann zu lesen.
    Es war eine kurze Mitteilung.
     
    Liebe Nichte, liebste Isabella,
    ich stehe am Ende meines Lebens und hoffte darauf, dass Du mir diesen Abend im Kloster mit Deiner Gesellschaft verkürzen würdest. Wenn die Mutter Äbtissin Dir meinen Brief aushändigt, hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Ich habe mein Leben hier wohl gelebt, und doch bin ich, wie wohl alle meine Schwestern im Herrn, immer auf der Suche gewesen. Wir alle haben in Würde den Pfad der Erkenntnis Gottes gesucht, nur selten haben wir ihn gefunden. Ich war auf dem rechten Weg dazu, dessen bin ich mir sicher. Die Last der Pflicht hat mich an einen anderen Ort gesetzt. Dir wünsche ich ebenso viele zufriedene Tage im Konvent von San Lorenzo, wie ich sie erleben durfte. Suche und Du wirst finden. Finde und Du wirst wissen.
    Deine Tante Sr. Francesca
     
    Mehr stand nicht darauf. Es war ein nichtssagender, beinahe bedeutungsloser Brief. Vaters Schwester wusste genau, wie sehr sie mit der Entscheidung kämpfte, ins Kloster geschickt zu werden. Dass sie ihr dennoch ein angenehmes Klosterleben wünschte, klang wie Hohn. Sollte sie etwa das Seelenheil suchen, das ihrer Tante verwehrt geblieben war, weil sie an ihrem Leben im Konvent zweifelte? Wütend zerknüllte sie den Brief und warf ihn in die Ecke.
    Zudem störte es Isabella, wie ihre Tante die Zeilen an sie hingeschmiert hatte. Schnell, flüchtig, als wäre ihr die Nichte keine Zeit wert gewesen. Es fehlten Buchstaben.
    Sie streckte sich auf der Pritsche aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und wartete auf den Glockenschlag, der die Schwestern zur Sext rief. Gern hätte sie die Augen geschlossen und ein wenig geschlafen. Doch sie war zu aufgewühlt. Nichtnur der Brief drehte sich in ihrem Kopf wie ein Mühlrad, auch der Satz, den Signora Artella gesprochen hatte, beunruhigte sie. Sollte die Tante wirklich erdrosselt worden sein? Wer sollte das getan haben? Und warum?
    Isabella konnte sich auf die Ereignisse keinen Reim machen. Beinahe wäre sie sich mit ihren schmutzigen Fingern auch noch übers Gesicht gefahren. Im letzten Moment erinnerte sie sich daran, dass sie ihre Hände nicht gewaschen hatte. Woher kam dieser Schmutz? Von der Hand ihrer Tante, die den Knopf gehalten hatte. Und warum war deren Hand schmutzig geworden?
    Die Reaktion der Nonnen, der Tod ihrer Tante, die Würgemale um den Hals, die schmutzigen Finger, der silberne Zierknopf ...
    Isabella starrte an die Decke. Plötzlich flackerte das Licht, das in der Zelle zu brennen hatte. Sie wandte den Kopf und sah, wie sich langsam die Tür öffnete. Das Türblatt schwang nach außen und gab einen Schlund an Dunkelheit frei, in den plötzlich eine Gestalt trat. Isabella stieß einen kurzen Schrei aus. Wie eine Erscheinung zwängte sich die junge Novizin in den Raum, die ihr bereits zweimal begegnet war. Halb verharrte sie in der Tür, halb blieb sie draußen. Aus der Nähe fiel Isabella der matte Blick ihrer Augen auf, die von einem ungewöhnlichen Blau waren, dunkel umschattet und mit dunklen Ringen unterlegt. Ihre Lippen waren diesmal fest aufeinandergepresst.
    »Bist du freiwillig hier?«, fragte das Mädchen mit einer tonlosen Stimme, die mehr gehaucht als gesprochen wurde. Isabella bemerkte, wie zerkaut die Unterlippe der Novizin wirkte. An einigen Stellen war die Haut bereits so dünn, dass sie blutete. »Wie meinst du das?«, fragte Isabella zurück und ergänzte: »Was willst du?«
    Die Novizin ließ ihren Blick durch die Räumlichkeit wandern,
dann verhielt sie kurz bei ihr. »Hilf mir hier heraus, bitte!«,
    flehte sie. Isabella konnte kaum glauben, dass dem beinahe geschlossenen Mund diese Worte entwichen waren, denn dem Gesicht des Mädchens war keine Regung zu entnehmen. Plötzlich zuckte der Kopf der Novizin hoch, als hätte sie draußen auf dem Flur etwas gehört, dann war sie verschwunden, wie eine Geistererscheinung, die flüchtig ist und nicht in dieser Welt gehalten werden kann.
    Die Tür fiel zu, und Isabella war sich nicht sicher, ob sie nicht doch einer Einbildung zum Opfer gefallen war. Sie schloss die Augen – und als sie diese wieder öffnete, um sich zu vergewissern, dass ihre Sinne sie nicht trogen, stand Suor Maria im Türrahmen. Isabella stieß erneut einen kleinen Schrei aus.
    »Isabella? Ich bin’s! Was hast du?«
    »Warum klopft Ihr nicht an? Ihr habt mich zu Tode erschreckt.« Isabella stand

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