Die Botschaft Der Novizin
seid das?«, flüsterte sie dankbar. »Helft mir. Bitte, helft mir!« »Was sagt Ihr? Eure Stimme ist so heiser. Man versteht kein Wort von dem, was Ihr redet«, entgegnete der Geistliche besorgt lächelnd.
Isabella lag auf dem Rücken. Das Gefühl war ihr vertraut: eine Pritsche. Sie lag in einer Zelle. Ihr Hals brannte. Unwillkürlich tastete sie mit den Fingern die Druckstellen ab, doch der Schmerz steckte im Hals, eine Folge ihres Schreiens. Sie versuchte sich aufzusetzen. Ihre Arme zitterten und versagten den Dienst.
»Wo bin ich?«, fragte sie krächzend.
»Erzählt mir zuerst, was geschehen ist«, drängte der Geistliche. »Ihr wart völlig aufgelöst, habt geschrien und um Euch getreten.«
Kurz schloss Isabella die Augen – und plötzlich waren alle Bilder wieder da: die Stimme, die Berührung, der Geruch.
»Ihr müsst mir helfen, Pater. Man verfolgt mich!«, stieß sie hervor. Jetzt erst hörte sie ihre eigene Stimme deutlicher. Sie war völlig heiser. Sie musste Speichel im Mund sammeln, schlucken, die Kehle anfeuchten, bevor sie einen weiteren Satz zustande brachte. »Man wollte mich töten!«
»Euch töten?« Padre Antonio erhob sich von seinem Platz neben ihr. Erst jetzt bemerkte sie, dass er die ganze Zeit über ihre Hand gehalten, dass er an ihrem Bett gesessen hatte, auf der Pritsche, auf der sie lag. Sie blickte umher. Das war nicht ihre Zelle. Es war die Zelle des Geistlichen. »Das ist eine schwere Anschuldigung, die Ihr hier vorbringt«, unterbrach der Priester ihre Gedanken. »Wer wollte Euch töten? Und warum?«
Isabella versuchte erneut, sich aufzurichten. Die Muskeln ihrer Oberarme, ihrer Beine flatterten und waren wie kraftlos. Es war, als habe sie ein Schütteln ergriffen und ließe sie nicht mehr los. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie.
Der Pater räusperte sich. »Ihr erzählt mir nicht wieder ein Märchen, wie das vom Tod Eurer Tante Suor Francesca?«
Ermattet schloss Isabella die Augen. Musste sie sich jetzt rechtfertigen? Sie stemmte sich ganz auf. So konnte sie einigermaßen verständlich sprechen. »Ich habe Euch nicht angeschwindelt. Sie wollen meinen Schlüssel!«
Der Pater sah sie mit hochgezogenen Brauen an. »Von welchem Schlüssel sprecht Ihr? Und wer sind ›sie‹?«
Isabella ließ sich wieder auf die Pritsche zurücksinken. Sollte sie dem Mann alles erzählen? Warum sollte sie gerade ihm vertrauen, der sie der Lüge bezichtigte? Sie öffnete die Augen und starrte an die Decke. Er hatte sie offensichtlich vor ihremVerfolger gerettet. Hatte sich damit für sie in Gefahr begeben. Doch er hielt sie für ein junges Ding, das noch in der Fantasie ihrer Jugend verharrte.
»Wer sagt mir denn, dass Ihr nicht mit den anderen unter einer Decke steckt?« Sie suchte nach Gründen, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. »Ihr könntet ebenso gut alles leugnen wie die Äbtissin und Signora Artella.«
»Ich habe Eure Tante nirgends entdeckt! Außerdem bin ich gerade eben erst zurückgekehrt. Ihr könnt an der Pforte nachfragen. Für die Schwester dort ist es ungewöhnlich genug, einen Mann ins Kloster zu lassen. Ich habe Euch hierhergebracht, weil der Ort im Augenblick wohl der sicherste ist. Der gesamte Konvent ist in Aufruhr. Euer Geschrei hat die Frauen aus ihren Betten gejagt.« Er grinste. »Selbst die Hühner flattern aufgeregt durch die Gänge.«
Isabella wollte lachen, konnte jedoch nicht, so sehr zitterte ihre Unterlippe. Mit Mühe zog sie diese ein und beruhigte sie zwischen ihren Zähnen. Ihr gesamter Körper war noch in Aufruhr. »Habt Ihr nach meiner Tante gesucht?«, fragte sie. Und eine weitere Frage drängte sich auf, da er nichts erwiderte. »Ich liege in Eurer Zelle, nicht?«
Padre Antonio nickte. »Im Gästetrakt des Klosters. Für Euch eigentlich verbotenes Gelände. Dort übernachten manchmal Männer. Mit diesen solltet Ihr nicht zusammenkommen. Sie sind eine Versuchung für eine schwache Frau.«
Isabella reckte das Kinn, obwohl ihr die Antwort eine Mühe kostete, die sie erschöpfte. Sie schloss wieder die Augen. »Haltet Ihr mich für eine schwache Frau?« Sie dachte kurz an ihr panisches Schreien und ihre Flucht und setzte hinzu: »Ich bin sonst gefasster.«
»Ihr könnt mir vertrauen, Isabella, ich bin Priester.«
»Das sind die Schlimmsten.« Sie sprach mit geschlossenen Augen weiter, das gab ihr das Gefühl, unbeobachtet zu sein. »Habt Ihr schon einmal nachts auf die tappenden Füße gehört, aufdas Rascheln der Kleidung auf den Gängen geachtet?
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