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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich mit Euch zusammen gesehen werde.« Den eigentlichen Grund dafür verschwieg sie ihm lieber. Auf sie wartete schließlich Marcello. Und der würde es nicht verstehen, wenn sie mit dem Pater auftauchte, womöglich Hand in Hand.
    Padre Antonio sagte nichts dazu, sondern stand mit hängendenSchultern vor ihr. Sie musste innerlich lachen über so viel sichtbares Elend.
    »Es tut mir leid!«, hauchte er nur.
    Isabella betrachtete den Pater eine kurze Weile und bedauerte, dass die Mutter Kirche Männer wie ihn an das Keuschheitsgelübde band. Wenn er ihr jetzt in die Augen gesehen hätte, hätte er darin ein wenig seiner eigenen Gier nach dem Körper des anderen erblicken können.
    Einem spontanen Entschluss folgend machte sie einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn auf den Mund, so flüchtig, dass sie selbst es kaum spürte. Als sie zurückwich, glaubte sie, der Gang, der ja nur von der Seite des Kreuzganges her beleuchtet wurde, würde einen Grad heller.
    Padre Antonio sah erstaunt auf.
    »Lasst Euch nicht von Suor Immacolata erwischen!«, lachte sie leise und huschte den Gang entlang in Richtung Hof. Wenn der Orientale dort in einem Kapitell zu sehen war, fanden sich die anderen Figuren aus dem Neumenbuch womöglich ebenfalls dort – und vielleicht konnte sie daraus erschließen, was sie bedeuteten.

KAPITEL 31 Isabella hastete den Flur entlang und hinunter in den Kreuzgang. Ein Hochgefühl ließ sie zwei Stufen auf einmal nach unten nehmen. Im Kreuzgang lehnte sie sich zuerst einmal gegen eine der Brüstungen, um Luft zu schöpfen. Als sie nach oben blickte, lachte sie eine Frauengestalt an, die mit einer Hand schamhaft ihre Brüste bedeckte und in der anderen einen Apfel hielt. Eva lächelte im ewigen Wissen der Frauen um ihre Anziehungskraft. »Er gefällt mir«, flüsterte sie der Steinfigur entgegen und glaubte für einen Moment zu erkennen, wie Eva ihr zuzwinkerte, als wolle sie sagen, sie wisse Bescheid. Isabella spürte noch immer die rauen Lippen auf ihrem Hals und die Hand auf ihrer Brust. Doch jetzt war ihr das Begehrennicht mehr unheimlich, sondern erfüllte sie mit einer sanften Wärme, wie der milde Hauch eines ersten Frühlingswindes, der sanft über die Kanäle der Stadt strich und der Haut der Mädchen schmeichelte.
    Sie stieß sich von der Brüstung ab und begann die Kapitelle zum ersten Mal näher zu betrachten. Der Kreuzgang stammte sicherlich aus der Frühzeit des Klosters, was die Darstellungen bekräftigten. Manche schienen nicht recht an einen Ort der Verehrung eines christlichen Gottes zu passen. Teufel wechselten ab mit orientalischen Szenen, z. B. der eines Markttreibens. Andererseits konnte sie eindeutig biblische Motive ausmachen wie den Tanz um das Goldene Kalb oder den Einzug Jesu auf einem Esel in Jerusalem. Doch nur jedes zweite Kapitell war mit Figuren geschmückt. Die anderen enthielten Ornamente aus Akanthusblättern, die hübsch anzusehen waren mit ihrem Flechtwerk. Sie umrundete den Kreuzgang, doch außer dem Orientalen, der weiter hinter seiner Säule hervorsah, fand sich kein Kapitell mehr, das auch nur annähernd einen Figurenschmuck trug, wie ihn die beiden Initialen in der Neumenhandschrift besessen hatten. Auch das Rankenwerk unterschied sich. Während die Akanthusblätter im Kreuzgang überwogen, lugte der Turbanträger aus einem Dickicht dünnblättriger Stauden, die Isabella nicht kannte und nicht deuten konnte.
    Insgesamt zweimal umrundete sie den Säulenwald des Kreuzgangs, bevor sie sich enttäuscht auf eine der Bänke sinken ließ, die den Innenhof schmückten. Sie saß im Schatten, den das Sonnenlicht auf den Hof zeichnete, und dachte über eine Lösung ihres Problems nach. Die Helligkeit ließ den weißen Stein derart leuchten, dass sie das Gefühl hatte, von der gegenüber liegenden Wand nur die Konturen einer feinen Silberstiftzeichnung zu sehen. Dagegen streckte sich die Spitze des Kirchturms dunkel wie ein mahnender Finger in den hellen Innenhof, und das Kreuz, das die Turmhaube krönte, fand sich ebenfalls leicht abgezeichnet, als hätte der Maler keinenfesten Strich gewagt. Isabella starrte den Turmschatten an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Warum gab es nur diesen einen Orientalen im Kreuzgang? Sie ärgerte sich, weil das Kartenhaus ihrer Gedanken zusammengestürzt war. Dafür hätte sie das Risiko, allein in den Nonnenchor zu schleichen, nicht in Kauf nehmen müssen. Sie führte ihre Hand an ihre Brust, dorthin, wo eben noch die des Paters gelegen hatte.

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