Die Botschaft des Feuers
plötzlich in einem Meteoritenschauer. Die Vergangenheit und die Zukunft waren wieder seine Begleiter, und in seinem Kopf leuchteten
tausend Funken wie glitzernde Sterne an einem mitternächtlichen Himmel.
Nur Haidée blieb nach wie vor für ihn im Dunkeln.
»Es gibt etwas, das kein noch so großer Prophet sehen kann«, hatte Schahin in jener Nacht in der Höhle oberhalb von Fes zu ihm gesagt. »Und das ist das eigene Schicksal.«
Als Charlot von der Brüstung in der Medina nach unten geschaut und das Mädchen auf dem Sklavenmarkt erblickt hatte, hatte er einen schrecklichen Moment lang eine Ahnung davon erhalten, wohin dieses Schicksal ihn führen würde. Aber er hatte niemandem, nicht einmal Schahin, davon erzählt.
Zwar konnte er immer noch nicht erkennen, auf welche Weise sein Schicksal mit dem Haidées verwoben war, aber seine Vorahnung in Bezug auf sie hatte sich bewahrheitet, ebenso wie eine andere Vorahnung ihn vor drei Monaten dazu veranlasst hatte, aus Frankreich aufzubrechen und tausend Meilen weit bis in die Schluchten des Tassili-Gebirges zu reisen, um die Weiße Göttin zu finden, deren Bild hoch oben an einer konkaven Felswand dargestellt war.
Und jetzt, wo er sie in Fleisch und Blut gefunden hatte, verkörpert durch dieses Mädchen, wusste er noch etwas: Was auch immer Madame Cosway zu enthüllen hatte, welche Rolle die anderen auch spielen mochten - es war Haidée, die in der Mitte stand und die schwarze Dame hielt, und er musste ihr beistehen.
Kardinal Joseph Fesch betrachtete die anderen im Kerzenlicht, die dahockten, so schien es ihm, wie Trauernde bei einer Beerdigung.
»Einige von Ihnen, die Madame Maria Hadfield Cosway
heute erst persönlich kennengelernt haben, sind jedoch mit ihrem Namen vertraut«, begann er. »Ihre Eltern, Charles und Isabella Hadfield, betrieben die berühmten englischen Gasthäuser in Florenz namens Carlo’s, in denen viele Engländer auf Europareise einkehrten. Maria ist unter bedeutenden Künstlern aufgewachsen und wurde selbst zu einer großen Künstlerin. Nach dem Tod von Charles hat Isabella die Gasthäuser aufgegeben und ist mit Maria und deren Geschwistern nach England zurückgekehrt, wo Maria später den berühmten Maler Richard Cosway heiratete.
Meine Schwester Letizia und ich haben Maria Cosway erst kennengelernt, nachdem Napoleon an die Macht gekommen war, aber seitdem sind wir enge Freunde. Ich selbst bin ein Förderer der Mädchenschule, die sie nördlich von Rom in Lodi gegründet hat. Wir haben Maria gebeten, uns eine Geschichte zu erzählen, die von der Pyramide handelt, in der wir uns befinden, und davon, was diese Pyramide mit ihrem Mann Richard Cosway zu tun hat, der kürzlich in London verstorben ist. Diese Geschichte hat sie bisher noch niemandem vollständig erzählt, nicht einmal uns. Sie hat sich vor über dreißig Jahren abgespielt, im Jahr 1786, als sie mit ihrem Mann nach Paris reiste. Dort ist etwas geschehen, was für uns alle, die wir in diesem Raum versammelt sind, von großer Bedeutung sein könnte.«
Der Kardinal setzte sich und übergab Maria das Wort.
Als wüsste sie nicht recht, wo sie anfangen sollte, streifte sie umständlich ihre Handschuhe ab und legte sie beiseite. Dann nahm sie mit einer Fingerspitze etwas Wachs von einer Kerze und rollte es mit Daumen und Zeigefinger zu einer kleinen Kugel.
» Ma chère Madame «, sagte Kardinal Fesch und legte eine Hand auf ihre, um sie zum Sprechen aufzufordern.
Maria lächelte zerstreut und nickte.
»Es war im September 1786«, sagte sie in ihrem weichen, stark akzentuierten Italienisch. »Mein Mann Richard und ich waren erst kurz zuvor über den Ärmelkanal nach Paris gekommen. Unser Ruf war uns vorausgeeilt. Wir waren beide preisgekrönte Maler, und unser Salon war der meistbesuchte in ganz London. Richard hatte einen wichtigen Auftrag in Frankreich; der Herzog von Orléans, ein Vetter von Ludwig XVI. und Freund des Gönners meines Mannes, des damaligen Prinzen von Wales und heutigen Königs George IV., hatte ein Porträt seiner Kinder bestellt. In Paris wurden wir sowohl von den Künstlern als auch vom Adel gefeiert. Unser Freund und Kollege, der Maler Jacques-Louis David, organisierte für uns eine Vorstellung am Hofe des französischen Königs und dessen Frau Marie Antoinette.
An dieser Stelle möchte ich ein gutes Wort für meinen Mann Richard einlegen. Viele Neider in London hatten eine schlechte Meinung von ihm, weil er aus armen Verhältnissen kam und es sehr weit
Weitere Kostenlose Bücher