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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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bekommst.«
    Das passte so wenig zu meinem Chef, dass es mir glatt die Sprache verschlug. Der wahre Rodo hätte jeden bereits wegen eines halb so schlimmen Verstoßes mit höchster Verachtung gestraft. Wahrscheinlich war er einfach fix und fertig, versuchte ich mir sein Verhalten zu erklären.
    Ich selbst stand kurz vor dem Zusammenbruch, als Rodo
mit unseren Handys von der Brücke zurückkam. Es war schon weit nach Mitternacht, als Rodo die Tür hinter uns verriegelte. Die Fußgängerbrücke war frei, die Geheimdienstler hatten sich verzogen, die Holzbude und die Betonsperre waren bereits entfernt worden.
    Wir trennten uns am Ende der Brücke, wo Rodo mir eine gute Nacht wünschte und versprach, mich am Morgen anzurufen und abzuholen. Es war kurz nach eins, als ich den Weg zu meiner Wohnung einschlug.
    Vor dem Haus in der Nähe des Eingangs zum Key Park war es stockdunkel; die Birne der Straßenlaterne war durchgebrannt, was häufiger vorkam, als mir angenehm war. Da ich nichts sehen konnte, tastete ich mit den Fingern nach dem richtigen Schlüssel. Als ich die Tür aufschloss, sah ich, dass am oberen Ende der Treppe ein Licht schimmerte.
    Hatte ich etwa am Morgen vergessen, es auszumachen? Sehr unwahrscheinlich.
    Nach den Ereignissen der letzten Tage hatte ich allen Grund, beunruhigt zu sein. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wählte Rodos Nummer. Er konnte noch nicht weit gekommen sein, wahrscheinlich war er noch nicht mal an seinem Auto, aber er meldete sich nicht. Sollte mich in meiner Wohnung eine böse Überraschung erwarten, konnte ich ja einfach die Wiederwahltaste drücken.
    Lautlos schlich ich die Treppe hoch. Die Tür zu meiner Wohnung war nicht abschließbar, aber ich machte sie immer zu, wenn ich das Haus verließ. Jetzt stand sie einen Spaltbreit offen. Und drinnen brannte eine Lampe. Ich wollte gerade die Wiederwahltaste drücken, als ich eine vertraute Stimme vernahm.
    »Wo warst du denn so lange, meine Liebe? Ich warte schon den ganzen Abend auf dich.«

    Ich öffnete die Tür. In meinem gemütlichen Ledersessel, die roten Locken im Lampenlicht schimmernd, ein Glas von meinem besten Sherry in der Hand, ein offenes Buch auf dem Schoß, saß mein Onkel Slawa, als wäre er bei sich zu Hause.
    Dr. Ladislaus Nim.

Das Mittelspiel
     
     
     
     
Mittelspiel: Der Teil des Spiels, der auf die Eröffnung folgt.
Dies ist der schwierigste und zugleich schönste Teil, in
dem eine lebhafte Fantasie wundervolle Kombinationen
hervorbringen kann.
    NATHAN DIVINSKY, The Batsford Chess Encyclopedia
     
     
     
    Nim musterte mich ganz kurz mit einem schiefen Lächeln. Ich muss ausgesehen haben wie ein totales Wrack. Als hätte er auf Anhieb erfasst, was geschehen war, stellte er sein Glas ab, legte das Buch aus der Hand, kam auf mich zu und schloss mich wortlos in seine Arme.
    Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr ich mit den Nerven fertig war. Als er mich jetzt an sich drückte, brachen alle Dämme, und ich heulte hemmungslos in sein Jackett. Die Angst, die ich eben noch empfunden hatte, wich der Erleichterung. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich von jemandem beschützt, dem ich absolut vertrauen konnte. Als er mir wie einem Schoßhündchen übers Haar strich, entspannte ich mich.
    Mein Vater hatte meinen Onkel »Slawa« genannt, ein doppeldeutiger Name - es war die Koseform von Ladislaw, bedeutete aber auch Glorie, auf russischen Ikonen dargestellt als achtzackiger Stern. Mein Slawa war ein ganz spezieller Heiliger, und sein kupferroter Haarschopf bildete die dazugehörige
Aureole. Auch wenn ich mittlerweile erwachsen war und ihn wie alle anderen Nim nannte, war er für mich immer noch mein Schutzengel.
    Er war der faszinierendste Mensch, dem ich je begegnet bin - wahrscheinlich weil er sich eine Eigenschaft bewahrt hatte, die Kindern eigen ist, bei den meisten jedoch verlorengeht, wenn sie älter werden, nämlich selbst immerzu von allem und jedem fasziniert zu sein. Seine Philosophie drückte sich in seinem Lieblingsspruch aus, mit dem er mich jedes Mal abgespeist hatte, wenn ich ihn als Kind bedrängt hatte, mich mit Späßen zu unterhalten: »Nur Langweiler langweilen sich.«
    Andere mochten ihn vielleicht als ein wenig geheimnisvoll empfinden - für mich war Nim stets der stabilste Faktor in meinem Leben gewesen. Nach dem Tod meines Vaters und der Entfremdung von meiner Mutter, die meinem Rückzug aus der Schachwelt folgte, hatte mein Onkel mir zwei wertvolle Geschenke gemacht, die mir

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