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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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-, warum hatte sie dann in Gegenwart von Wartan und Nokomis Key so viel über das Spiel ausgeplaudert? Hielt Lily uns alle für Mitspieler? Und was war mit den Livingstons und Galen March, die auch alle zum Fest meiner Mutter eingeladen waren? Wie gefährlich waren sie?
    Aber egal, wer die Spieler waren oder worin das Spiel überhaupt bestand - ich wusste inzwischen, dass es einige Teile des Puzzles gab, die ich allein in der Hand hielt. Im Schach nennt man so etwas »Materialvorteil«.
    Erstens war ich, soweit ich wusste, die Einzige - bis auf meinen verstorbenen Vater -, die entdeckt hatte, dass womöglich zwei schwarze Damen des Montglane-Schachspiels existierten. Zweitens war ich, bis auf die geheimnisvolle Person, die um zwei Uhr morgens eine Ausgabe der Washington Post vor meine Tür gelegt hatte, ebenfalls die Einzige, die das mit Edelsteinen besetzte Schachspiel, das vor zwölfhundert Jahren in Bagdad hergestellt worden war, mit den Ereignissen in Zusammenhang gebracht hatte, die sich derzeit im Irak abspielten - beziehungsweise mit dem anderen gefährlichen Spiel.
    Und was das Spiel anging, war mir jetzt eins zweifelsfrei klar: Lily hatte sich geirrt, als sie in Colorado verkündet hatte, wir brauchten einen Masterplan. Meiner Meinung nach war es noch zu früh, um eine Strategie zu entwickeln. Das war zwecklos, solange wir noch mit der Eröffnung - der »Verteidigung« - beschäftigt waren, wie Lily es selbst ausgedrückt hatte.
    Aber bei einem Schachspiel braucht man eine Übersicht über das Brett, man muss das ganze Spiel im Auge behalten und eine langfristige Strategie verfolgen, da sich die Landschaft auf dem Brett im Verlauf des Spiels sehr schnell verändert. Um das Gleichgewicht zu wahren, um jederzeit auf den Füßen landen zu können, darf man sich nie durch die langfristige
Strategie von den Gefahren ablenken lassen, die ganz in der Nähe lauern, den unerwarteten Angriffen auf irgendeinem Feld des Bretts, die gefährliche Aktionen und defensive oder aggressive Gegenaktionen heraufbeschwören können und ständige Aufmerksamkeit erfordern. Und dazu braucht man eine gute Taktik.
    Das war die Phase des Spiels, die ich am besten beherrschte, die ich liebte: die Phase, wo alles noch möglich ist, wo überraschende und auch riskante Züge sich lohnen.
    Als ich den Touareg durch das große steinerne Tor von Kenwood lenkte, wusste ich genau, welche Art von Gefahren in meiner unmittelbaren Nähe lauerten und wo ich mich schon bald auf taktische Manöver würde verlegen müssen: in gut zweihundert Metern Entfernung in der Villa Euskal Herria auf dem Hügel.

    Erst als ich nach Kenwood hineinfuhr, fiel mir wieder ein, dass dies die Woche des Kirschblütenfests in Washington war, bei dem jedes Jahr Tausende von Touristen die National Mall zuparken, um die rosafarbenen Blüten der japanischen Kirschbäume zu fotografieren, die sich im Wasser des Teichs spiegeln.
    Aber die wenig bekannten Kirschbäume in Kenwood waren offenbar nur von den Japanern entdeckt worden. Hunderte japanische Touristen waren bereits eingetroffen und spazierten im Regen unter dunklen Schirmen am grasbewachsenen Ufer des sich windenden Bachs entlang. Ich fuhr an ihnen vorbei durch die eindrucksvolle Kathedrale aus Kirschbäumen mit ihren schwarzen Ästen, die so knorrig waren, als wären sie schon hundert Jahre alt.
    Als ich am Tor zu Rodos Grundstück das Fenster herunterkurbelte,
um den Sicherheitscode einzugeben, wälzte sich Nebel in den Wagen wie feuchter Rauch, und der schwere Duft der Kirschblüten machte mich ein bisschen benommen.
    Durch die Stäbe des schmiedeeisernen Tors sah ich im Nebel Hunderte von Rodos geliebten xapata stehen, die baskischen Bäume, die jedes Jahr in Hülle und Fülle saftige schwarze Kirschen für den Johannistag im Juni lieferten. Und halb verborgen im Nebel, über dem rosafarbenen Blütenmeer, lag die weitläufige Villa Euskal Herria mit ihrem im mediterranen Stil gedeckten Dach und den großzügigen Terrassen. Die ochsenblutroten Fensterläden, der in Flamingorosa leuchtende Anstrich der stuckverzierten Außenwände, vor denen zinnoberrote Bougainvilleas wuchsen, gaben dem Ganzen etwas von einem fauvistischen Gemälde. Tatsächlich wirkte alles an Euskal Herria irgendwie absurd und befremdlich - vor allem so nah an Washington. Als hätte es jemand aus dem Himmel über Biarritz geklaubt und hier abgeworfen.
    Die Tore schwangen auf, und ich fuhr die Einfahrt hinauf und weiter ums Haus herum, wo hinter

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