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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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Horde unerwünschter »Gäste« erwarteten. Aber Rodo hatte es nicht vergessen. Er reichte mir einen Karton mit Eiern und einen Stapel Kupferschüsseln.
    »Es heißt, das Schachspiel wurde ihm von dem maurischen Statthalter von Barcelona übersandt, wobei allerdings bis heute unklar ist, aus welchem Grund«, sagte Rodo. »Auf keinen Fall wollte er sich damit Charlemagnes Beistand im Kampf
gegen die Basken erkaufen, die dieser nie besiegt hatte und die sowieso nicht in der Gegend um Barcelona agierten.
    Wahrscheinlich hatte Ibn al-Arabi, der Statthalter von Barcelona, einen triftigen Grund, das Schachspiel zu verstecken, und zwar so weit wie möglich von der islamischen Welt entfernt - und der fränkische Hof in Aix-la-Chapelle oder Aachen, lag mehr als tausend Kilometer Luftlinie weit im Norden.«
    Rodo unterbrach sich, um zuzusehen, wie ich die Eier trennte. Er bestand immer darauf, dass man es mit einer Hand machte: das Eigelb in eine, das Eiweiß in eine zweite und die Schale in eine dritte Schüssel fallen lassen.
    »Aber warum sollte ein maurischer Gouverneur etwas an den mehr als tausend Kilometer entfernt gelegenen Hof eines christlichen Monarchen schicken wollen, bloß um zu verhindern, dass die Muslime es in die Finger bekamen?«, fragte ich.
    »Weißt du, warum man das Schachspiel das ›Montglane-Schachspiel‹ nennt?«, erwiderte Rodo. »Es ist ein aufschlussreicher Name, denn damals gab es in den baskischen Pyrenäen keinen Ort, der so hieß.«
    »Ich dachte, es wäre eine Festung gewesen, die später in ein Kloster umgewandelt wurde«, sagte ich. Doch dann biss ich mir auf die Zunge, denn mir fiel ein, dass ich das nicht von Rodo, sondern von Lily wusste.
    Im allerletzten Moment merkte ich, dass mir beinahe ein bisschen Eigelb in die Schüssel mit dem Eiweiß geraten wäre. Ich feuerte die Schale mitsamt dem Eigelb in die Schüssel für den Kompost und wischte mir die verschwitzten Hände an meiner Schürze ab, bevor ich meine Arbeit fortsetzte. Als ich verstohlen einen Blick in Rodos Richtung warf, um zu sehen, ob er mein Missgeschick bemerkt hatte, stellte ich erleichtert fest, dass er mich voller Anerkennung anstrahlte.

    »Es heißt immer, Frauen könnten sich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren«, sagte er. »Aber du hast es geschafft! Ich freue mich im Namen meines berühmten Baisers.«
    Rodo war der Einzige, von dem ich je gehört hatte oder den ich mir vorstellen konnte, der es wagte, über einem offenen Feuer ein Soufflé oder ein Baiser herzustellen. Aber zu seinem köstlichen Schokoladenkuchen gehörte beides. Solche »kleinen Herausforderungen« konnten Rodo jedoch nicht abschrecken, im Gegenteil, sie begeisterten ihn geradezu.
    Während ich noch krampfhaft überlegte, wie ich aufs Thema zurücklenken könnte, kam Rodo mir zuvor.
    »Offenbar kennst du also einen Teil der Geschichte«, nahm er den Faden wieder auf. »Ja, Charlemagne hat den Ort Montglane genannt und er hat ebenfalls die Festung errichten lassen und damit verbunden einen Adelstitel gestiftet. Aber der Ort lag ebenso weit entfernt von Barcelona und dem Mittelmeer wie von seiner Residenz in Aachen.
    Er hat das undurchdringliche Terrain hoch oben in den baskischen Pyrenäen gewählt, einen Ort, der seltsamerweise ganz in der Nähe der Stelle liegt, wo er seine katastrophale Niederlage erlitten hatte. Und er hat den Platz, an dem er die Festung errichten ließ, Montglane genannt - was bedeutet Le Mont des Glaneurs , der Berg der Ährenleser.«
    Rodo machte eine Bewegung mit den Armen, als würde er eine Sense schwingen.
    »Du meinst so was wie die Erntearbeiter, die nach dem Sensen die Ähren aufsammeln?«, fragte ich. »Der Berg der Erntearbeiter? Warum sollte er sich so einen Namen ausdenken?«
    Ich hatte die Kupferschüssel mit den Eidottern weggestellt und reichte Rodo die mit dem Eiweiß. Er nahm sie entgegen, steckte einen Finger hinein und schüttelte den Kopf - noch
nicht so weit. Sie mussten genau die richtige Temperatur haben. Er stellte die Schüssel wieder ab.
    »Jedes Ding braucht einen Namen«, sagte er. »Das steht schon in der Bibel. Das gilt für alles, sogar für Eiweiß. Und es gilt auch für die Ährenleser. ›Die Saat, die man aussät, die soll man auch ernten.‹ Aber noch besser klingt es auf Latein: Quod severis metes .«
    »Wie du säst, so wirst du ernten?«, riet ich.
    Rodo nickte. Irgendwie erinnerte mich das ganz dunkel an etwas, aber darüber würde ich mir später den Kopf

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