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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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hatte lange in England gelebt und kannte die Bräuche des Landes, aber sie war keine Engländerin, auch wenn sie seit ihrem siebzehnten Jahr, als sie in die Accademia dell’Arte del Disegno in Florenz eingeführt worden war, die pittrice Inglese , die »englische Malerin« genannt wurde. Sie war Italienerin, geboren vor mehr als sechzig Jahren in Livorno, und sie
würde sich in England, dem Geburtsland ihrer Eltern, niemals so zu Hause fühle wie in Italien.
    Und obwohl sie seit über dreißig Jahren nicht mehr an diesem heiligen Ort gewesen war, kannte Maria vielleicht besser als irgendjemand sonst das Geheimnis, das unter dem »englischen« Mutterboden hier, außerhalb der Stadtmauern, auf dem südlichsten der römischen Hügel verborgen lag. Denn hier in Rom, wo die heilige Agnes, deren Todestag bald begangen wurde, den Märtyrertod gestorben war, lag ein Geheimnis verborgen, das wesentlich älter war als die Knochen der Heiligen oder das Mausoleum des Caius Cestius - ein Geheimnis, das vielleicht noch älter war als Rom selbst.
    Diese Stelle auf dem Aventinischen Hügel, wo Caius Cestius sich zu Lebzeiten von Jesus und Kaiser Augustus die pompöse Pyramide hatte errichten lassen, war seit Urzeiten ein heiliger Ort. Er lag kurz vor dem Pomerium, einer uralten, unsichtbaren, hinter der Stadtmauer gezogenen Grenzlinie, außerhalb derer die auspicia urbana nicht stattfinden durften. Die Auspizien - abgeleitet von auspicium , »Vogelbeobachtung« - durften nur von Priestern durchgeführt werden, die in der Beobachtung und Interpretation von Himmelsbewegungen - Blitz und Donner, Wolkenzug - und vom Flug und Schreien der Vögel ausgebildet waren. Aber außerhalb des Pomeriums herrschten andere Mächte.
    Dort befanden sich die Kornspeicher, die ganz Rom versorgten. Und hier auf dem Aventinischen Hügel hatte der berühmteste Tempel der Ceres, der Göttin des Ackerbaus, gestanden. Ihr Name, Ker, bedeutete Wachstum, und sie teilte sich diesen Tempel mit Liber und Libera, dem Gott und der Göttin der Freiheit, der Männlichkeit und des Lebenssafts. Sie entsprachen den älteren Gottheiten Janus und Janna, der Göttin der zwei Gesichter, nach der die albanische Stadt Ioannina
benannt ist, der Ort, wo ihr frühestes Heiligtum gestanden hat.
    Aber hier wurden die beiden großen Feste im Namen der Ceres außerhalb der Stadtgrenzen abgehalten: das Saatfest, das mit dem Abbrennen der alten Getreidestoppeln im nach dem Gott Janus benannten Monat Januar begann, und das Herbstoder Erntefest, das nach Kaiser Augustus’ Geburtsnamen, Octavian, »der Achte«, im August stattfand.
    Damals glaubte man, dass die Feuer, die man zu Ehren von Ceres entzündete, einen Hinweis darauf gaben, wie die Ernte im achten Monat ausfallen würde. QUOD SEVERIS METES stand über dem Tempel der Göttin: Wie du säst, so wirst du ernten .
    Das Geheimnis hinter all diesen Dingen war so alt und tief verwurzelt, dass es gar nicht nötig war, offizielle, von staatlichen oder religiösen Vorschriften geregelte Auspizien durchzuführen.
    Es war eine ewige Ordnung.
    Maria wusste, dass an diesem Tag die Erinnerungen an die Vergangenheit und die Voraussagen für die Zukunft miteinander verkettet waren wie schon seit Tausenden von Jahren. Denn heute, am 21. Januar, dem Tag der heiligen Agnes, war der Tag der Feuerprophezeiung. Und hier in Rom, der Ewigen Stadt, könnte sich an diesem Tag das Geheimnis, das Percy Shelley vor einem halben Jahr mit in sein nasses Grab genommen hatte, aus der Asche erheben.
    Das zumindest wollte Marias Freund und Beschützer, Kardinal Joseph Fesch, herausfinden. Deswegen war sie von ihm und seiner Stiefschwester Letizia Bonaparte für heute hierherbestellt worden. Nach mehr als dreißig Jahren war die anglo-italienische Künstlerin Maria Hadfield Cosway für immer nach Hause zurückgekehrt.

Palazzo Falconieri, Rom
    Ich schuf, dass nicht vorausblickt auf den Tod der Mensch …
Ich machte seine Brust zu blinder Hoffnung Haus …
Zu eigen gab ich Feuer ihnen obendrein.
    AISCHYLOS, Der gefesselte Prometheus
     
     
    George Gordon, Lord Byron, ging mit gequälter Miene im Salon von Kardinal Joseph Feschs Palazzo Falconieri auf und ab. Selbst ein reicher Mann, fühlte er sich dennoch fehl am Platz in diesem verschwenderisch ausgestatteten Mausoleum eines toten Kaisers. Denn der Neffe des Kardinals, Napoleon Bonaparte, war zwar schon seit zwei Jahren tot, aber die Reichtümer, mit denen er seine Verwandten überschüttet hatte, wurden vor

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