Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
Vom Netzwerk:
Werke wählten. Wenn man jedoch zwischen den Zeilen las, gewannen sie einen tieferen Sinn.
    Siste Viator - »Verweile, Reisender«: ein Spruch, der auf jedem am Straßenrand errichteten Grabstein im alten Rom gestanden hatte.
    Ecce Signum - »Beachte das Zeichen«: gefolgt von einem kleinen Dreieck.
    Urbi et Orbi - »der Stadt und dem Erdkreis«: ein Leitspruch Roms, der Ewigen Stadt.
    Ut Supra, Ut Infra - »Wie oben, so unten«: ein Leitsatz aus der Alchemie.
    Und es konnte auch kein Zufall sein, dass die Einladung ausgerechnet für den Ort und den Tag der Beisetzung des armen Percy Shelley ausgesprochen wurde, die zum Glück bereits Stunden vor Byrons Ankunft in Rom stattgefunden hatte. Er bedauerte nicht, die Beerdigung verpasst zu haben. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte die Qualen nicht vergessen, die er an dem Tag gelitten hatte, als Shelleys Leichnam verbrannt worden war, und auch nicht die Angst um das eigene Leben, die ihn seitdem verfolgte.
    Die Botschaft war eindeutig: »Hör auf zu suchen und beachte, was wir gefunden haben: das Dreieck des berühmten pyramidenförmigen Mausoleums in Rom, das die Carbonari, die Freimaurer und andere Geheimbünde als Zeichen ihrer
Bruderschaft erwählt haben. Es repräsentiert eine neue Ordnung, die Geist und Materie verbindet, die Ober- und die Unterwelt.«
    Das war die Botschaft, die Percy Shelley ihm hatte zukommen lassen wollen, kurz bevor er den Tod fand. Jetzt begriff Byron, was sie bedeutete, und die Erkenntnis ließ ihm das Mark in den Knochen gefrieren. Denn selbst wenn Letizia Bonaparte und ihre Vasallen etwas über das Geheimnis oder über den Verbleib der schwarzen Dame wussten - was diese Einladung nahelegte -, wie hatten sie auf dieses eine Wort kommen können? Das einzige Wort, das Byron, wenn nichts anderes ihn dazu überreden konnte, unweigerlich dazu veranlassen würde, nach Rom zu kommen. Das Wort, mit dem Letizia Bonaparte ihren Brief unterzeichnet hatte.
    Byrons Lieblingsname, den er nur einem einzigen Menschen auf der Welt gegenüber als Codewort benutzt hatte - Ali Pascha, der inzwischen tot war.
    Aber noch während er über den Namen nachdachte, hörte er, wie die Tür geöffnet wurde. Dann sagte eine sanfte Stimme hinter ihm:
    »Vater, ich bin deine Tochter Haidée.«
     
Er hatt’ ein einzig Kind, das hieß Haidi,
Die reichste Inselerbin der Levante,
Dabei so schön, dass nach der Mitgift nie
Gefragt ward, wenn man erst ihr Lächeln kannte.
    LORD BYRON, Don Juan , CANTO II, CXXVIII
     
     
    Byron konnte nicht an sich halten. Er war so überwältigt vor Freude, dass er nicht einmal mehr an die Schachfigur dachte, die sie zweifellos bei sich trug. Weinend drückte er das Mädchen an seine Brust, dann hielt er sie ein Stück von sich weg,
um sie zu betrachten, während er ungläubig den Kopf schüttelte und spürte, wie die Tränen ihm über die staubbedeckten Wangen liefen.
    Großer Gott! Sie war das Ebenbild von Vassiliki, die nur wenige Jahre älter gewesen war, als Byron sich in Ioannina in sie verliebt hatte. Sie hatte die gleichen silbrigen Augen, die an leuchtende Spiegel erinnerten, aber sie hatte auch Züge ihres Vaters - das Grübchen im Kinn und die blasse, durchscheinende Haut, die Byron den Spitznamen »Alba« eingebracht hatte.
    Welch ein Segen , dachte er. Alle seine anderen Töchter waren ihm auf die eine oder andere Weise verloren gegangen - durch Tod, Trennung, Skandal, Exil. Die kleine Ada, die legitime Tochter, die er mit seiner Frau Anabella hatte, müsste jetzt gerade sieben Jahre alt sein. Wegen eines Skandals, den Lady Byron in die Welt gesetzt und der Byron ins Exil getrieben hatte - das Gerücht, dass Medora, die Tochter seiner Schwester Augusta, inzwischen acht, ebenfalls sein Kind war -, hatte er sie seit ihrer Geburt nicht wieder gesehen.
    Dann seine Tochter mit Claire Clairmont, Mary Shelleys Stiefschwester, die dermaßen in Byron vernarrt gewesen war, dass sie ihm kreuz und quer durch Europa gefolgt war, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht hatte, ein Kind von dem berühmten Dichter zu bekommen. Das war die süße kleine Allegra, die im vergangenen Jahr im Alter von fünf Jahren gestorben war.
    Und jetzt dieses Juwel, die unglaublich schöne Haidée, die Tochter von Vassiliki, vielleicht der einzigen Frau, die er jemals wirklich geliebt hatte. Eine Frau, die nie irgendwelche Forderungen an ihn gestellt hatte, die nichts verlangt und alles gegeben hatte.
    Und Byron begriff sofort, dass dieses schmale

Weitere Kostenlose Bücher