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Die Bourne Intrige

Die Bourne Intrige

Titel: Die Bourne Intrige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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zweifellos Schlafzimmer. Dass kein Licht brannte, hieß noch nicht, dass niemand drinnen war. Er riss ein Stück Rinde von dem Ast neben seiner rechten Schulter und warf es gegen das zweite Fenster. Als nichts passierte, brach er noch ein Stück ab, diesmal ein größeres, und warf es mit mehr Schwung gegen das Glas. Das Holz krachte mit einem deutlich hörbaren Geräusch gegen die Scheibe. Er wartete. Nichts.
    Er schob sich auf den Ästen weiter vor, bis er ganz nah am Fenster war. Hier waren die knorrigen Äste abgesägt worden, so dass sie bis auf etwa einen halben Meter an die Hauswand heranreichten, deren Fenster aussahen wie die glanzlosen Augen einer quaderförmigen Puppe.
    Als Arkadin in einer Astgabel in Position ging, sah er sein Spiegelbild wie aus einem geheimnisvollen, von Leben erfüllten Wald. Sein bleiches Gesicht erschreckte ihn fast. Es kam ihm vor wie eine zukünftige Version seiner selbst, die schon tot war und aus der das Feuer des Lebens nicht allmählich, sondern ganz plötzlich entwichen war. In diesem Gesicht erkannte er nicht sich selbst, sondern einen Fremden, der in sein Leben getreten war und wie ein Puppenspieler seine Hände und Füße auf einen zerstörerischen Weg geführt hatte. Im nächsten Augenblick verschwand das Bild oder die Illusion, er beugte sich vor, brach das Fenster auf und kletterte leise ins Haus.
    Er befand sich in einem ganz gewöhnlichen Schlafzimmer mit einem Bett, zwei Lampen auf Nachttischen und einer Kommode – alles auf einem runden Teppich. Doch in diesem Moment sah es für ihn so aus wie ein Zimmer in einem Sultanspalast. Er setzte sich auf die Bettkante und genoss einen Moment lang die weiche Matratze, §er atmete den heimeligen Geruch von Parfüm und Körperpuder ein, und er geiferte wie ein wildes Tier, das §Blut wittert – aber nach einem heißen Bad oder einer Dusche.
    Ein schmaler hoher Spiegel verriet ihm, dass hier die Tür eines Wandschranks war, die er sogleich öffnete. Er hatte verständlicherweise eine starke Abneigung gegen Wandschränke, nachdem ihn seine Mutter zur Strafe immer wieder in einen solchen Schrank gesperrt hatte. Aber jetzt nahm er sich zusammen, griff hinein und strich mit der Hand über die Kleider, Unterröcke und Nachthemden – alles genauso blass und schimmernd wie sein Gesicht zuvor im Spiegelbild des Fensters. Was er hier außer dem Parfüm wahrnahm, war der Geruch der Einsamkeit, der ihm so vertraut war. In seinem Keller war dieser Geruch etwas ganz Normales, aber hier in dieser familiären Umgebung wirkte er seltsam und unsagbar traurig.
    Er wollte sich schon umdrehen und weitergehen, als er plötzlich spürte, dass da vor ihm in der Dunkelheit etwas war. Angespannt und auf alles vorbereitet, ging er in die Knie, zog ein paar hässliche Tweedröcke beiseite und sah ein blasses ovales Gesicht aus dem Dunkel auftauchen. Es war das Gesicht eines kleinen Kindes. Sie starrten einander einige Augenblicke wie gebannt an. Er erinnerte sich, dass Lew Antonin vier Kinder hatte – drei Mädchen und einen kränklichen Jungen, dem die anderen Kinder das Leben zur Hölle gemacht hätten, wäre sein Vater nicht der gewesen, der er war. Diesem Jungen sah er sich nun gegenüber; er hockte in dem Wandschrank, so wie er selbst in seiner Kindheit.
    Eine solche Abscheu vor seiner eigenen Vergangenheit kam in ihm hoch, dass sie ihn sogar seinen Hass auf Lew Antonin vergessen ließ.
    »Warum versteckst du dich hier?«, flüsterte er.
    »Scht, ich und meine Schwestern, wir spielen Verstecken.«
    »Sie haben dich noch nicht gefunden?«
    Er schüttelte den Kopf und grinste stolz. »Und ich bin schon ganz lang hier drin.«
    Ein Geräusch von unten aus dem Erdgeschoss ließ sie beide erstarren. Es war das Stöhnen einer weiblichen Stimme, und es kam eindeutig nicht von einer Frau, die Sex hatte, sondern die von Angst und Entsetzen gepeinigt war.
    »Bleib hier«, sagte Arkadin. »Und komm ja nicht herunter, bis ich dich hole, okay?«
    Der Junge nickte, nun sichtlich verängstigt.
    Arkadin eilte aus dem Zimmer und schlich über den Flur. Hier oben brannte zwar kein Licht, aber unten war es so hell, als stünde das Haus in Flammen. Als er sich der Balustrade näherte, hörte er wieder ein Stöhnen, diesmal noch lauter, und er fragte sich, was Lew Antonin seiner Frau antun mochte. Und wo waren die anderen Kinder, während Lew Antonin seine Frau quälte? Kein Wunder, dass sie nicht heraufgekommen waren, um ihren Bruder zu suchen.
    Arkadin duckte sich

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