Die Bourne Intrige
Ihnen die Wahrheit gesagt hätte?«
»Wahrscheinlich nicht.« Sie lächelte. »Nachdem wir uns jetzt unsere Fehler gestanden haben – wie wär’s, wenn wir das alles vergessen und sozusagen nochmal von vorn anfangen?«
»Wenn Sie möchten.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Möchten Sie denn nicht?«
Er lachte. »Ich meine nur, dass uns beiden das Lügen recht leichtfällt.«
Es dauerte eine Weile, aber dann stieg ihr die Röte in die Wangen. »In meinem Geschäft – und offensichtlich auch in Ihrem – treiben sich jede Menge skrupelloser Typen herum, Schwindler, Betrüger, sogar Gewaltverbrecher. Aber das ist wahrscheinlich kein Wunder, nachdem Kunstwerke heute derart astronomische Preise erzielen. Ich musste auch ein paar Methoden lernen, wie man sich gegen bestimmte Gefahren schützen kann; eine davon ist, möglichst überzeugend zu lügen.«
»Das hätte ich auch nicht besser sagen können«, bekannte Bourne.
Sie unterbrachen ihr Gespräch, als eine Flugbegleiterin kam und sie fragte, was sie trinken wollten.
Als sie das Bestellte gebracht hatte, sagte Bourne: »Ich frage mich allerdings schon, wie Sie dazu kommen, für Noah Perlis zu arbeiten.«
Sie zuckte die Achseln und nippte an ihrem Champagner. »Er ist ein zahlender Klient wie jeder andere.«
»Ich frage mich, ob das die Wahrheit ist oder eine Lüge.«
»Es ist die Wahrheit. Was hätte ich jetzt noch davon, Sie anzulügen?«
»Noah Perlis ist ein sehr gefährlicher Mann, der für eine ethisch bedenkliche Firma arbeitet.«
»Mag sein, aber sein Geld ist genauso gut wie das von irgendwem. Was Noah macht, geht mich nichts an.«
»Ich glaube schon, dass es Sie etwas angeht, wenn es für Sie selbst gefährlich wird.«
Tracy runzelte die Stirn. »Aber warum sollte es? Mein Job ist klar und eindeutig. Ich glaube, Sie übertreiben das alles ein bisschen.«
Wenn man es mit Noah Perlis zu tun hatte, dann war überhaupt nichts klar und eindeutig – das hatte Bourne von Moira erfahren. Aber er spürte, dass es keinen Sinn gehabt hätte, mit Tracy weiter über das Thema zu sprechen. Wenn Noah sie für seine Zwecke benutzte, dann würde sich das früh genug herausstellen. Es beunruhigte ihn jedenfalls, dass Noah Perlis’ Name überhaupt in diesem Zusammenhang auftauchte. Nikolaj Jewsen war ein internationaler Waffenhändler, Dimitri Maslow der Chef einer großen Mafiaorganisation, und selbst dass Boris am Rande mit der Sache zu tun hatte, war irgendwo zu verstehen. Aber was hatte Noah Perlis, ein hochrangiger Mitarbeiter von Black River, mit diesen Drahtziehern des organisierten Verbrechens zu tun?
»Was ist, Adam? Sie machen ein Gesicht, als würden Sie sich über irgendetwas wundern.«
»Ich habe gar nicht gewusst«, antwortete er, »dass Noah Perlis Kunstsammler ist.«
Tracy runzelte die Stirn. »Wollen Sie damit sagen, dass ich lüge?«
»Nicht unbedingt«, antwortete er. »Aber ich möchte wetten, dass irgendjemand hier lügt.«
Arkadin bekam den Anruf von Triton zur vereinbarten Zeit. Dieser lästige Noah war arrogant und herablassend, und er setzte seinen Einfluss ein, wie es ihm gerade passte, aber wenigstens war er pünktlich. Vor allem aber war der Mann ein absoluter Verwandlungskünstler, zumindest was seine Stimme betraf. So wie Arkadin ein Chamäleon war, wenn es darum ging, sein äußeres Erscheinungsbild zu verändern – und zwar nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Gang und sein ganzes Auftreten, je nach der Rolle, die er zu spielen hatte –, so war Noah ein Chamäleon im Gespräch. Er konnte umgänglich und herzlich sein, überzeugend und einnehmend und vieles andere mehr, je nach der Rolle, die er verkörperte. Man musste schon selbst ein Schauspieler sein, dachte Arkadin, um einen anderen Schauspieler zu erkennen.
»Die Rede des Präsidenten vor der UNO hatte die gewünschte Wirkung«, teilte ihm Noah mit. Er hörte nie zu, sondern redete immer nur selbst. »Es sind nicht nur die Verbündeten der USA an Bord, sondern auch die meisten Neutralen und sogar ein paar Staaten, mit denen man normalerweise nicht rechnen kann. Sie haben noch genau acht Stunden für die Ausbildung Ihrer Leute. Bis dahin wird das Flugzeug da sein, das euch in die rote Zone bringt. Alles klar?«
»Könnte nicht klarer sein«, sagte Arkadin automatisch.
Noahs Geschwätz interessierte ihn längst nicht mehr. Er hatte seine eigenen Pläne, die er zum zehntausendsten Mal durchgehen musste, die kleine, aber entscheidende Abweichung von der
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