Die Bourne Intrige
Tempel hindurchging, beschlich ihn ein unheimliches Gefühl. Er kam an der Stelle vorbei, wo er in seinem eigenen Blut gelegen hatte, während Moira mit entsetztem Gesicht bei ihm kniete. Die Zeit schien sich endlos auszudehnen und dann, als er weiterging, wie ein Gummiband zurückzuschnellen. Er ließ die hinteren Mauern des Tempels hinter sich und gelangte wieder in steil ansteigendes Gelände. Der Wald erhob sich vor ihm wie ein Tempelkomplex mit vielen Pagoden, die zum Himmel aufragten. Hier musste der Schütze auf der Lauer gelegen und auf ihn gewartet haben.
Gleich hinter den ersten Bäumen stand ein kleiner steinerner Schrein, in das traditionelle schwarz-weiß karierte Tuch gehüllt und von einem kleinen gelben Sonnenschirm geschützt. Der Ortsgeist war anwesend, und nicht nur er. Bourne sah aus dem Augenwinkel, dass sich etwas bewegte – er sprang in die Büsche, seine Hand schloss sich um einen dünnen braunen Arm, und er zog die älteste Tochter der Familie, die das Warung besaß, hervor.
Einige Augenblicke sahen sie einander schweigend an. Dann ging Bourne in die Knie, so dass er mit ihr auf Augenhöhe war.
»Wie heißt du?«, fragte er sie.
»Kasih«, antwortete sie schnell.
Er lächelte. »Was machst du hier, Kasih?«
Die Augen des Mädchens waren so tief wie Seen und so schwarz wie Obsidian. Sie hatte langes Haar, das über ihre schmalen Schultern herabfiel. Ihr kaffeebrauner Sarong war mit Frangipani-Blüten gemustert, so wie sein Doppel-Ikat-Tuch. Ihre Haut war seidig und makellos.
»Kasih …?«
»Du bist vor drei Vollmonden in Tenganan verletzt worden.«
Bourne lächelte immer noch, wenn auch gezwungen. »Du irrst dich, Kasih. Dieser Mann damals ist gestorben. Ich war bei der Trauerfeier in Manggis, bevor die Leiche in die Vereinigten Staaten überstellt wurde.«
Ihre äußeren Augenwinkel zogen sich nach oben, und sie sah ihn mit einem neugierigen Lächeln an, so rätselhaft wie das der Mona Lisa. Dann streckte sie die Hand aus, und ihre Finger öffneten sein vom Schweiß durchtränktes Hemd, so dass der Verband über der Brust zu sehen war.
»Jemand hat auf dich geschossen, Bapa k «, sagte sie mit dem Ernst einer Erwachsenen. »Du bist nicht gestorben, aber es fällt dir schwer, auf unsere steilen Hügel zu steigen.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Warum tust du das?«
»Damit es mir irgendwann nicht mehr schwerfällt.« Er knöpfte sein Hemd zu. »Das ist unser Geheimnis, Kasih. Niemand sonst darf es erfahren, sonst …«
»Der Mann, der auf dich geschossen hat, wird zurückkommen.«
Bourne spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. »Kasih, wie kommst du darauf?«
»Weil Dämonen immer wiederkommen.«
»Wie meinst du das?«
Sie trat ehrfurchtsvoll vor den Schrein und legte eine Handvoll rote und violette Blüten in die kleine Nische. Dann drückte sie die Hände in Stirnhöhe aneinander und senkte den Kopf zu einem kurzen Gebet, zum Schutz vor den bösen Dämonen, die im grünen Halbdunkel des Waldes lauerten.
Als sie fertig war, trat sie zurück, kniete sich auf den Boden und begann an einer Ecke des Schreins zu graben. Wenige Augenblicke später zog sie aus der schwarzen vulkanischen Erde ein kleines Päckchen aus zusammengebundenen Bananenblättern heraus. Sie drehte sich um und reichte es Bourne mit ängstlichen Augen.
Er wischte die weichen Erdklümpchen weg, dann band er das Päckchen auf und zog die Bananenblätter eines nach dem anderen zurück. Drinnen fand er etwas, das wie ein Glasauge aussah.
»Es ist das Auge des Dämons, Bapak«, sagte sie. »Der Dämon, der auf dich geschossen hat.«
Bourne sah sie an. »Wo hast du das gefunden?«
»Dort drüben.« Sie zeigte auf einen riesigen Pule oder Milchholzbaum, keine hundert Meter entfernt.
»Zeig’s mir«, sagte er und folgte ihr durch die hohen fächerartigen Farne zu dem Baum.
Das Mädchen blieb drei Schritte vor dem Baum stehen, doch Bourne hockte sich zu der Stelle, die sie ihm zeigte, wo der Farn niedergetrampelt war, so als hätte es jemand sehr eilig gehabt, von hier wegzukommen. Er blickte hinauf zu dem Netzwerk von Ästen und Zweigen.
Als er sich anschickte hinaufzuklettern, stieß Kasih hinter ihm einen kurzen Schrei aus. »Oh, bitte nicht! Der Geist von Durga, der Göttin des Todes, wohnt in dem Pule .«
Er schwang ein Bein hoch und zog sich ein Stück hinauf, dann lächelte er dem Mädchen beruhigend zu. »Keine Sorge, Kasih, mich beschützt Shiva, meine eigene Göttin des
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