Die Bourne Intrige
nie wieder sprechen würde, nicht nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, denn das war unverzeihlich.
Moira schloss die Augen und spürte die Kräfte, die auf den dahinrasenden Krankenwagen einwirkten. Aber wenn schon kein Verzeihen möglich war, dann vielleicht wenigstens ein Waffenstillstand. An wen sollte sie sich sonst wenden? Wem konnte sie noch trauen? Sie stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, dann hätte man es komisch finden können, dass sie sich jetzt an den letzten Menschen wenden musste, von dem sie normalerweise etwas annehmen würde. Aber das war früher , sagte sie sich grimmig, und jetzt ist jetzt .
Mit einem leisen Fluch zog sie ihr Handy heraus und wählte eine lokale Nummer. Als sich eine männliche Stimme meldete, holte sie tief Luft und sagte: »Veronica Hart, bitte.«
»Wen darf ich melden?«
Hol’s der Teufel , dachte sie. »Moira.«
»Moira? Ma’am, sie wird auch Ihren Nachnamen brauchen.«
»Nein, den braucht sie nicht«, erwiderte sie. »Sagen Sie ihr nur, Moira, und machen Sie schnell!«
»Der Mond ist rausgekommen«, sagte Amun Chalthoum und sah auf seine Uhr. »Es ist Zeit, dass wir reden.«
Soraya hatte mit ihren Typhon-Agenten vor Ort telefoniert. Sie gingen verschiedenen Hinweisen auf die neue Widerstandsgruppe im Iran nach, aber bis jetzt hatte keiner von ihnen etwas Brauchbares vorzuweisen. Die Gruppe befand sich offenbar so tief im Untergrund, dass die Kontaktpersonen ihrer Agenten nichts herausgefunden hatten. Die Frage war, ob die Kontakte wirklich nichts wussten oder ob sie Angst hatten, etwas über die Gruppe zu verraten.
Sie beschloss, auf Amuns Vorschlag einzugehen, aber nicht so, wie er es sich vorstellte. Als er die Zeltklappe für sie aufhielt, sagte sie: »Lass deine Waffe hier.«
»Ist das wirklich notwendig?«, entgegnete er. Als sie keine Antwort gab, kniff er einen Moment die Augen zusammen, um seinen Widerwillen zu zeigen, dann seufzte er, nahm seine Pistole aus dem polierten Lederhalfter und legte sie auf einen Feldtisch.
»Zufrieden?«
Sie ging von der relativen Wärme des Zeltes in die kalte Nacht hinaus. In einiger Entfernung war die ame rikanische Taskforce immer noch dabei, das Wrack nach Spuren abzusuchen, aber bis jetzt hatte Delia ihr nichts Neues mitgeteilt, wenngleich – wie Veronica klargestellt hatte – das abgestürzte Flugzeug nicht ihre Hauptaufgabe war. Sie zitterte in der Kälte der Wüstenluft. Der Mond war riesengroß, und es hatte etwas Erhabenes, wie er über dem scheinbar endlosen Meer aus Sand schwebte.
Sie gingen auf die Absperrung zu, wo eigentlich Chalthoums Wachen postiert sein sollten, doch sie sah niemanden und blieb stehen. Obwohl er einen Schritt vorausging, spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war, und drehte sich um.
»Was ist?«, fragte er.
»Ich gehe keinen Schritt weiter in dieser Richtung«, sagte sie. »Ich will in Rufweite bleiben.« Sie zeigte auf die Lichter auf der anderen Seite der Absturzstelle, wo die internationalen Medien hinter der Absperrung ihre Zelte aufgeschlagen hatten.
»Die Journalisten?«, höhnte er. »Sie können dich nicht beschützen. Meine Leute lassen sie nicht durch die Absperrung.«
»Aber wo sind deine Leute, Amun? Ich seh sie nicht.«
»Ich habe sie weggeschickt.« Er hob einen Arm. »Komm, wir haben nicht viel Zeit.«
Sie wollte sich weigern, aber etwas in seiner Stimme ließ sie nachgeben. Sie dachte an die Anspannung, die sie bei ihm gespürt hatte, als sie sich trafen, an diese mühsam gebändigte Wut. Was ging hier eigentlich vor? Er hatte jedenfalls ihre Neugier geweckt. Wollte er sie in eine Falle locken? Aber wozu? Unbewusst ging ihre Hand zu ihrer Gesäßtasche, in der sie für alle Fälle ein Keramik-Springmesser hatte.
Sie gingen schweigend weiter. Die Wüste schien ihnen etwas zuzuflüstern, der Sand war ständig in Bewegung und kroch einem in die Kleider. Die Lichter der Zivilisation wurden schwächer und schrumpften zu einem Punkt zusammen. Chalthoum war hier ganz in seinem Element. Er schien hier draußen immer größer zu werden, und genau deshalb hatte er sie damals vor Jahren hierhergebracht, und deshalb waren sie auch heute hier. Je weiter §sie sich von den anderen entfernten, umso größer schienen seine Gestalt und seine Macht zu werden. Er drehte sich schließlich zu ihr um, und in seinen funkelnden Augen spiegelte sich das Mondlicht.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte er so unverblümt, wie sie es von
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