Die Bourne Intrige
ihm gewohnt war.
Sie hätte fast gelacht. »Du brauchst meine Hilfe?«
Er blickte einen Moment zur Seite. »Normalerweise bist du wahrscheinlich die Letzte, die ich um Hilfe bitten würde.«
Ihr war nun klar, dass es wirklich dringend sein musste. »Was ist, wenn ich Nein sage?«
Er zeigte auf das Satellitentelefon in ihrer Hand. »Glaubst du, ich weiß nicht, wen du damit angerufen hast?« Das Weiße in seinen Augen hatte einen unheimlichen bläulichen Schimmer im Licht des Mondes. »Glaubst du, ich weiß nicht, warum du wirklich hier bist? Es geht dir gar nicht um dieses Flugzeugunglück; es geht um diese neue militante Gruppe im Iran.«
Elf
Willard stand vor Dr. Firths Haus und wartete ungeduldig auf Bournes Rückkehr. Er hatte kurz überlegt, ob er losgehen und ihn holen sollte, doch er verwarf die Idee wieder. Wie so oft, wenn er an Bourne dachte, gingen seine Gedanken zu seinem eigenen Sohn Oren. Er hatte Oren seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen oder auch nur etwas von ihm gehört, und seine Frau lebte nicht mehr. Er hatte lange angenommen, dass sein Bruch mit Oren beim Begräbnis passiert war, als er mit trockenen Augen und stumm dagestanden hatte, als der Sarg mit den sterblichen Überresten seiner Frau in die Erde gesenkt wurde.
»Fühlst du denn gar nichts?«, hatte Oren ihn mit einem Zorn gefragt, der sich offenbar über Jahre hinweg aufgestaut hatte. »Überhaupt nichts?«
»Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist«, hatte Willard gesagt.
Erst später wurde ihm klar, dass es ein schwerer Fehler gewesen war, seinem Sohn die Wahrheit zu sagen. Das war damals, als er es einfach sattgehabt hatte zu lügen. Diesen Fehler machte er nie wieder. Er begriff, dass der Mensch offenbar Lügen brauchte, um zu überleben, um glücklich zu sein. Die Wahrheit war eben oft unerträglich, und deshalb wollten die Leute sie gar nicht wissen. Die meisten belogen sich lieber selbst und ließen sich von den Leuten in ihrer Umgebung belügen, um den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Die Wirklichkeit war aber nicht schön, das war nun einmal die Wahrheit.
Aber jetzt, hier auf Bali, fragte er sich, ob er nicht auch so war wie alle anderen, die sich mit einem Gespinst von Lügen umgaben, um die Wahrheit nicht sehen zu müssen. Jahrelang hatte er sich wie ein Maulwurf einen unterirdischen Zugang zur National Security Agency gegraben, bis er endlich im NSA -Safehouse in Virginia ankam, wo alle Lügen ihren Ausgang nahmen. Jahrelang sagte er sich, dass das seine Pflicht sei. Andere Menschen, sogar sein eigener Sohn, erschienen ihm irgendwie fremd, so als hätten sie nicht wirklich etwas mit ihm zu tun. Was hatte er denn sonst?, fragte er sich immer wieder, während er in der NSA seine Rolle als Leiter des Dienstpersonals spielte. Seine Pflicht war es, die ihm im Leben Halt gab.
Seine Mission in der NSA hatte er erfüllt. Es war unvermeidlich, dass seine Tarnung am Ende aufflog, und so war er frei. Doch in der CI wusste niemand so recht, was man mit ihm anfangen sollte. Und so erzählte er der neuen DCI , dass er einen längst fälligen Urlaub machen würde.
Nachdem er nicht mehr der diensteifrige NSA -Butler war, wurde ihm klar, dass das nur eine Rolle war, die er gespielt hatte. Als Alex Conklin damals begonnen hatte, ihn auszubilden, hatte Willard sich vorgestellt, dass er jede Menge gefährlicher Einsätze in allen möglichen Winkeln der Erde zu bestehen haben würde. Er hatte alle James-Bond-Romane mehrmals gelesen; er konnte es gar nicht erwarten, irgendwelche geheimen Missionen durchzuführen. Während er in der Ausbildung voranschritt und alle noch so schwierigen Aufgaben seines Lehrers bewältigte, begann Conklin ihm immer mehr anzuvertrauen. Dann der folgenschwere Fehler: Während er immer mehr von Treadstones Geheimnissen erfuhr, erlaubte er sich Fantasien, in denen er sich bereits als Conklins Nachfolger sah, als den Mann, der im Hintergrund die Fäden ziehen würde. Doch er wurde unsanft auf den Boden der Realität zurückgeholt. Der Alte wollte Willard für die Rolle haben, für die er ihn ausersehen hatte. Willard wurde auf seine verdeckte Mission in die NSA geschickt – in ein Gefängnis, aus dem es, so dachte er, kein Entkommen mehr geben würde.
Er hatte alles getan, was von ihm verlangt wurde, er hatte seine Sache gut – ja, ausgezeichnet – gemacht. Das bescheinigten ihm alle. Aber was hatte es ihm gebracht? Die Wahrheit war: nichts, absolut nichts.
Jetzt hatte er endlich die Freiheit, seinen
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