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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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sangesfreudig wie immer, war anscheinend durch nichts zu erschüttern, ebenso wenig wie Bruder Gervasius, der feiste Cellerar. Das Gleiche galt für den Granarius, der seinem Spitznamen einmal mehr alle Ehre machte. Obwohl es dem Ernst der Lage nicht entsprach, huschte ein Lächeln über Bruder Hilperts Gesicht, der Vergleich von Bruder Achatius mit einer Ziege kam wahrhaftig nicht von ungefähr. Ganz anders Bruder Marsilius, der Infirmar. Er war mit geradezu heiligem Ernst bei der Sache, Vorbild für jedermann. Von Bruder Venantius, seinem Erzrivalen, konnte man das freilich nicht behaupten, und angesichts des blutleeren Lethargikers wurde Bruder Hilperts Selbstbeherrschung auf eine harte Probe gestellt. Ohne genau zu wissen, warum, kam ihm beim Anblick des dreiunddreißigjährigen Vestiarius die Galle hoch, und das ausgerechnet hier. Von Natur aus träge, haftete dem triefäugigen Phlegmatiker etwas zutiefst Unaufrichtiges an, und Bruder Hilpert hatte Mühe, seine Antipathie zu verbergen.
    Blieb Bruder Simplicius, der Sakristan. Von allen Brüdern, die übrigen mit eingeschlossen, war er derjenige, bei dem die Nachricht vom Mord an Bruder Severus die wenigsten Spuren hinterlassen hatte. Der stets lächelnde, zuvorkommende und über die Maßen liebenswürdige Küster konnte keiner Fliege etwas zuleide tun und stand bei seinen Mitbrüdern in hohem Ansehen. Nicht etwa aufgrund intellektueller Brillanz, sondern dank seiner Hilfsbereitschaft, von der sich manch anderer eine Scheibe hätte abschneiden können.
    »Was plagt Euch, Bruder? Der Mord an Bruder Severus? Oder ist am Ende gar der Geist in Euch gefahren?«
    Beim Klang der Stimme, die er nach dem Kyrieeleison vernahm, war Bruder Hilpert sofort hellwach, und wäre sein Banknachbar nicht gewesen, der geduldig auf ihn wartete, hätte er gegenüber Remigius von Otranto vermutlich einen anderen Ton angeschlagen.
    Der Bibliothekarius lächelte, ließ Bruder Oswin, den Elemosinarius, passieren und wandte sich dem gefürchteten Großinquisitor zu. Es war einige Zeit her, seit sie sich zum letzten Mal begegnet waren, und Bruder Hilperts Antipathie hatte während dieser Zeit nicht abgenommen. Dass sie auf Gegenseitigkeit beruhte, war ihm zwar durchaus bewusst. Im Gegensatz zu anderen Personen, zu denen er auf Distanz gegangen war, hatte er jedoch kein schlechtes Gewissen.
    »In mich?«, erwiderte Bruder Hilpert, als er sicher sein konnte, dass seine Mitbrüder die Kirche verlassen hatten. »Einen Zisterzienser? Dafür sind die Brüder vom Orden des heiligen Dominikus doch weitaus besser geeignet.«
    »Der gute alte Hilpert – schlagfertig wie eh und je.« Remigius von Otranto lächelte dünn, die Lippen nicht mehr als ein farbloser Strich. »Wie lange ist es eigentlich her, seit sich unsere Pfade zum letzten Mal gekreuzt haben?«
    Nicht lange genug, dachte Bruder Hilpert im Stillen, doch da er nicht mehr Öl ins Feuer gießen wollte als nötig, fiel seine Antwort deutlich milder aus. »Bedaure, was mein Gedächtnis angeht, klafft diesbezüglich eine große Lücke.«
    »Und das von einem der hellsten Köpfe, welche der Zisterzienserorden aufzuweisen hat.«
    »Zu viel der Ehre, Bruder.«
    »Warum so bescheiden?«, salbaderte Remigius, wovon sich Bruder Hilpert allerdings nicht täuschen ließ. Der Blick des Großinquisitors, listig wie der einer Schlange, sprach eine andere Sprache, der Klang seiner Stimme nicht minder. Dieser Mann war die Heimtücke in Person, Vorsicht das Gebot der Stunde. »Studium der Rechte in Heidelberg, Theologie in Rom, Philosophie an der Sorbonne – und Ihr wollt mir weismachen, Euer Gedächtnis habe Euch im Stich gelassen? Alles, was recht ist, Bruder, aber das kaufe ich Euch nicht ab.«
    »Ein Vorschlag zur Güte: Wäre es nicht besser, die Vergangenheit ein für alle Mal ruhen zu lassen?«
    Remigius lachte leise in sich hinein. »Zu gnädig«, erwiderte er in hochnäsigem Ton, runzelte die Stirn und fuhr durch die spärlichen Reste seiner Tonsur. »Wobei, vorausgesetzt, dass zumindest meine Erinnerung noch intakt ist, Ihr allen Anlass hättet, Euch über den gegen mich gewonnenen Prozess zu freuen.«
    »Der Kasus in Béziers – lange her, findet Ihr nicht auch?«
    »Sechs Jahre, elf Monate und dreißig Tage.« Remigius fuhr mit dem Zeigefinger über die Nasenspitze und sah ihn durchdringend an. »Wobei ich nie verstanden habe, weshalb Ihr Euch für ein verlottertes französisches Kräuterweib, welches der Hexerei bezichtigt wurde, dermaßen ins

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