Die Bräute des Satans
»Wenngleich du mir zustimmen wirst, dass ich für die Schmach, die du mir zugefügt hast, in angemessener Weise entschädigt werden muss. Da wir uns in der Latrine befinden, kannst du dir sicher denken, worin diese Entschädigung besteht. Gestatte mir daher, mich zu erleichtern.«
Nie und nimmer hätte Alanus mit so etwas gerechnet, und während Billung die Hose öffnete, sich in Position begab und seinen Gefährten belustigt zuzwinkerte, schwappte eine Woge des Ekels über ihn hinweg. An der Tatsache, dass Billung seine Notdurft verrichtete, änderte dies freilich nichts. Alanus biss die Zähne zusammen, doch der Schrei, den er in Gedanken formte, wurde durch den Knebel erstickt. Bald war sein Wams völlig durchnässt, und während er sich auf die Seite zu rollen versuchte, hallte Hohngelächter durch den Raum.
Doch wenn Alanus geglaubt hatte, seine Lektion wäre bald vorüber, täuschte er sich. »Und nun zum eigentlichen Höhepunkt«, flüsterte Billung, knöpfte sich die Hose zu und zückte den Dolch, den er am Gürtel trug. »Glaub mir – du wirst voll auf deine Kosten kommen.«
Zur gleichen Zeit
[Klosterkirche, 13:20 h]
Worin Bruder Hilpert alsbald klar wird, dass von Remigius von Otranto nichts Gutes zu erwarten ist.
›EST‹ – drei Buchstaben und ein schier unlösbares Rätsel. Beim Betreten der Kirche, in die sich der Strom seiner Brüder ergoss, ließ Bruder Hilpert den vergilbten Pergamentfetzen verschwinden und steuerte auf seinen Platz im Chorgestühl zu. Des hohen Besuches wegen, in seinen Augen eher eine Heimsuchung, waren weit mehr Kerzen entzündet worden als üblich, unter ihnen auch solche, die nach Bienenwachs, Lavendel und sogar Flieder rochen. Bruder Hilpert fand das reichlich übertrieben, wenn nicht sogar unschicklich, hatte den Sakristan jedoch gewähren lassen. Bruder Simplicius, und beileibe nicht nur er, hatte auf die Nachricht vom Tod des Bursarius mit ostentativer Gelassenheit reagiert, und Bruder Hilpert nahm sich vor, der Ursache für diesen Affront auf den Grund zu gehen.
Es gab also viel zu tun, zu viel, als dass er die gewohnte Souveränität hätte beibehalten können. Hühner, die nicht legen, Dorfbewohner, die eine regelrechte Treibjagd veranstalten, Inquisitoren, die genau dann auftauchen, wenn es einem nicht passt – über einen Mangel an Beschäftigung konnte er wirklich nicht klagen. Bruder Hilpert stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. Dies alles wäre freilich zu ertragen gewesen, dachte er, hätte es nur diesen abscheulichen Mord nicht gegeben. Er war der Tropfen, der das Fass wahrscheinlich zum Überlaufen bringen würde, dazu brauchte man nicht viel Fantasie.
Allein schon deshalb musste er alles daransetzen, auf die Spur des Mörders zu gelangen. Oder waren es gar mehrere Täter? Gut möglich, auszuschließen war so etwas natürlich nicht. Die Frage war nur, welches Motiv bei diesem Verbrechen mit im Spiel gewesen war. Einer Tat, die in puncto Menschenverachtung schwerlich zu übertreffen war.
Das und vieles mehr galt es zu klären, und der bloße Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Mühsal, Gefahr und Abgründe zuhauf. Bruder Hilpert runzelte die Stirn. Zu dumm, dass der Prior immer noch das Bett hüten und er, Hilpert, die ganze Verantwortung allein tragen musste. Keine leichte Aufgabe also, aber eine, die er mit Gottes Hilfe lösen würde.
Die Frage war allerdings, wie. Das Auftauchen des Großinquisitors, von dem er geflissentlich ignoriert worden war, war bestimmt kein Zufall, und er fragte sich, was Remigius von Otranto im Schilde führte. Bruder Hilpert kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass man ihm nicht über den Weg trauen konnte. Die Gelegenheit, sich in Szene zu setzen, würde er überdies wohl kaum verstreichen lassen. Von der Chance, ihm, Hilpert, zu schaden, ganz zu schweigen.
In solcherlei Gedanken vertieft, hatte der Bibliothekarius den Beginn des mittäglichen Gebets nicht bemerkt. Dies war ihm außerordentlich peinlich, zumal aller Augen auf ihn gerichtet zu sein schienen. »Oh Gott, komm mir zu Hilfe!«, skandierten seine Brüder, und da der Vers seiner Gemütslage entsprach, stimmte er nach Kräften mit ein.
Der Rest des Gottesdienstes verlief so wie immer. Zuerst kam der Vers, dann der Hymnus und die Psalmen. Danach eine Lesung und zum Abschluss das Kyrieeleison. So war es Brauch, und obwohl er sich dafür schämte, ließ er den Blick über die Gesichter seiner Mitbrüder schweifen. Bruder Thaddäus,
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