Die Bräute des Satans
auf.
Und so kam es, wie es kommen musste. Beziehungsweise sollte .
Der Zehntgraf, selbst nicht mehr der Jüngste, hangelte sich mühsam in den Sattel, übergoss Cuntz mit einem Schwall Verwünschungen und stieß dem alten Klepper die Stiefel derart heftig in die Flanken, dass er sich gequält aufbäumte. So etwas ließ der Zehntgraf natürlich nicht durchgehen. Mit der Reitpeitsche, seinem Lieblingsrequisit, war er wie immer schnell bei der Hand, und der Ziegenhirte, der in diesem Moment seinen Weg kreuzte, konnte von Glück sagen, dass ihm nicht das Gleiche widerfuhr.
Es war wie immer, wie vor jedem Ausritt, welchen der einstmalige Zehntgraf unternahm. Der Alte gab seinem Pferd die Sporen, die Gänse stoben auseinander, ein letzter Fluch, und er war zum Tor hinaus. Es war neblig an diesem Tag, die Schwaden, in welche er eintauchte, so glitschig, klamm und feucht, dass sie ihm wie der Hauch des Todes vorkamen. Doch davon ließ sich einer wie er natürlich nicht abschrecken, und so riss der alte Zehntgraf die Zügel herum und schlug den Weg nach Bretten ein. Er musste sich sputen, wollte er noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein.
Es geschah auf halbem Wege, unweit der Anhöhe, wo er sonst immer Rast zu machen pflegte. Man konnte keine zehn Klafter weit sehen, und obwohl er den Weg bereits Dutzende Male zurückgelegt hatte, beschlich ihn das Gefühl, sich verirrt zu haben. An dieser Stelle war der Weg holprig, noch dazu voller Schlaglöcher, und die gestrigen Regengüsse hatten das Ihre dazu beigetragen, ihn in eine Schlammwüste zu verwandeln. Das freilich focht den Zehntgrafen nicht an. Anstatt sich selbst und seinen Schecken zu schonen, spornte er ihn zu noch größerer Eile an, dies sogar mithilfe des Stocks. Der Gaul ließ es geschehen, zuckte unter den Schlägen zusammen und preschte wie von den Sendboten Luzifers verfolgt davon.
Doch die Gespenster der Vergangenheit, die dem Zehntgrafen just zu dieser Stunde auflauerten, waren schneller. Nicht etwa, dass er je einen Gedanken an sie verschwendet hätte. Nein, das hatte er seit Jahren nicht mehr getan. Überhaupt war er ein Mann, für den es das Wort Schuld nicht gab. Der, so ging das Gerücht, von Gewissensbissen noch nie etwas gehört hatte.
Das sollte sich jetzt ändern. Denn nachdem der Sattelgurt entzweigerissen, der Alte vom Pferd geschleudert und mit dem Hinterkopf auf einem Feldstein aufgeschlagen war, ließ der Tod noch geraume Zeit auf sich warten. An seiner statt tauchten drei junge Frauen aus dem Nebel auf, nackt, barfuß und tropfnass. Als sei nichts gewesen, lächelten sie dem mit Gevatter Tod ringenden, um Hilfe lallenden und mit krampfartigen Bewegungen auf sich aufmerksam machenden Zehntgrafen zu, fassten sich an den Händen und wirbelten wie von Sinnen um ihn herum. Der Reigen, den sie vollführten, wollte nicht enden, doch als der Alte seinen letzten Atemzug tat, brach er abrupt ab.
Die drei jungen Frauen indes deuteten auf den Leichnam, kicherten, was das Zeug hielt und verschwanden so lautlos, wie sie gekommen waren.
Gerade so, als habe es sie nie gegeben.
Zur gleichen Zeit
[Refektorium, 13:35 h]
Worin sich Bruder Hilpert über die Gleichgültigkeit seiner Mitbrüder wundert und ihm der Ernst der Situation einmal mehr vor Augen geführt wird.
Beim Mittagessen, der einzigen Mahlzeit des Tages, waren mit Ausnahme des Priors sämtliche Brüder versammelt. Von der Lesekanzel in der Ostwand hallten die Worte des Rezitators über die Köpfe hinweg, und da es die Ordensregel so wollte, hüllten sich die Fratres in Schweigen. Zur Feier des Tages gab es Barsch, Hecht und Karpfen, unter der Woche täglich ein Pfund [17] Brot, Linsensuppe, Dörrobst oder Haferbrei. Das war nicht gerade viel, und so gab es nicht wenige, die eine Erhöhung der Brotration forderten.
Bruder Hilpert, der am Kopfende der Tafel saß, war der Appetit hingegen vergangen. Und das ausgesprochen gründlich. Schuld daran war natürlich der Mord an Bruder Severus, darüber hinaus jedoch die Anwesenheit des päpstlichen Großinquisitors, der seine Mahlzeit mit großem Appetit verzehrte. An der Tatsache, dass der Platz von Bruder Severus leer geblieben war, schien er sich nicht sonderlich zu stören, und Bruder Hilpert war sicher, dass er durch den Vestiarius, seinen Nachbarn zur Linken, umfassend ins Bild gesetzt worden war. Das konnte er von sich selbst leider nicht behaupten, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als in den Gesichtern
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