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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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ein Hund, ernährte sich von dem, was sie fand.
    Als das Telefon klingelte, nahm Raphaël ab. Morgane sagte, dass alles in Ordnung sei.
    Sie wechselten noch ein paar Worte. Dann verschwand Raphaël in seinem Atelier, und ich schlenderte am Strand entlang.

D er Wind pfeift nur, wenn er auf Widerstand stößt. Auf ein Hindernis. Er pfeift nie über dem Meer. Im freien Raum ist er stumm.
    Das hatte mir Lambert gesagt, am Abend des Festes, als wir an der Dachluke lehnten. Er hatte mir vom Wind erzählt, dort, bei ihm. Und vom ständigen Pfeifen in den Bäumen, das ihn weckte und ihn an die Nacht denken ließ.
    Ich ging zur Steilküste.
    Drei Küken waren in einem Nest an der Bucht von Éclagrain ausgeschlüpft. Die Felsen dort waren fast rot. Ich verbrachte unendlich viel Zeit damit, die Küken anzusehen – ihren maßlosen Appetit, kaum dass sie aus den Eiern gekrochen waren.
    Ich hatte keine Lust, sie zu zeichnen.
    Ich ging auch nicht bei Théo vorbei.

S eltsam, wie das Meer heute rauscht …«
    Lambert war lautlos herangekommen. Er kam immer so. Ohne dass ich ihn hörte. Sein Jackenärmel an meinem Arm. Ich berührte ihn.
    Er hatte sehr leise gesprochen. Manchmal war es unmöglich, an diesem Ort laut zu sein.
    Ich sagte ihm, dass Morgane weggefahren war. Er wusste es. Sie hatte sich von ihm verabschiedet. Sie hatten sich unterhalten.
    Die Flut stieg. Westlich des Leuchtturms war sie schwärzer. Auf diesem Streifen des Meeres bringen die Haie ihre Kinder zur Welt, ein dunkles Band hinter der Schaumwand, sie behalten sie bei sich, und dann eines Morgens verlassen sie sie.
    Ich zeigte ihm, was ich in den Taschen hatte, eine Seeohrenschale, die Max mir gegeben hatte.
    »Die Seeohren sterben wegen der Verschmutzung, wegen dem Gift, das die Menschen versprühen, damit der Mais besser wächst.«
    Ich sagte ihm, dass auch die Muscheln und Algen sterben.
    Er suchte den Geruch im Innern der Schale.
    »Sie riecht nach nichts.«
    Ich zuckte die Schultern. Er schaute aufs Meer. Hatte er mit
Morgane über seinen Bruder gesprochen? Die Boote kamen zurück. Es war ein guter Tag, die Fischkisten waren voll.
    Wir gingen am Kai entlang und sahen zu, wie die Kisten ausgeladen wurden.
    »Man sagt, Gott habe den Hummer erschaffen und der Teufel die Krabbe …« Das sagte ich und zeigte auf einen Korb mit Krustentieren, den ein Fischer zum Gasthof trug.
    »Deswegen essen Sie also abends bei ihnen?«
    »Am Hummertisch, mit Plastikblumen und einer Arcopalvase.«
    Er zündete sich eine Zigarette an, den Kopf nach vorn geneigt.
    »Die Vase ist nicht aus Arcopal, sondern aus Kristall«, sagte er und blies den Rauch aus.
    Er gab mir seine Zigarette.
    Es fiel uns schwer, miteinander zu sprechen. Schließlich verließen wir den Hafen und liefen nach La Roche. Zu Nans Zuflucht . Als wir daran vorbeikamen, blieb er stehen. Er sah die Fassade an, die geschlossenen Fensterläden.
    Was wusste er?
    Er sagte nichts.
    Wir liefen weiter bis zu den Häusern von La Valette, dann machten wir kehrt. Auf dem Rückweg gingen wir an den Mauern entlang. Wir trafen niemanden.
    In einem Garten wuchsen seltsame Pflanzen. Lambert sagte, es seien vielleicht Schmetterlingspflanzen, weil dort so viele Schmetterlinge herumflogen. Er erzählte mir vom Morvan.
    Wir liefen den Weg mehrmals auf und ab. Bis der Leuchtturm anging. Jedes Mal kamen wir an der Zuflucht vorbei, und jedes Mal warf er einen Blick auf das Gebäude. Es war schon fast dunkel, als er schließlich das Gartentor öffnete.

    »Gehen wir rein!«
    Das sagte er.
    Er lief über den Hof.
    Ich folgte ihm.
    Er rüttelte an allen Fenstern, bis er das eine fand, durch das man einsteigen konnte.
    Er kletterte hinein.
    »Warum machen Sie das?«, fragte ich.
    Anstatt zu antworten sprang er ins Hausinnere. Dort wartete er auf mich. Er hatte eine Taschenlampe dabei. Mit dem starken Strahl leuchtete er das erste Zimmer aus. Er machte einen Rundgang, wie ich es getan hatte, er ließ sich Zeit. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn man uns hier fände.
    Es war kalt. Wir durchquerten das Gebäude, bis wir zur Treppe gelangten, der Lampenstrahl leuchtete auf die Stufen, auf die toten Fliegen. In der ersten Etage, im langen Flur, befanden sich die Betten. Er sah sich um. Er entdeckte Dinge, die ich nicht bemerkt hatte, eine alte Tafel, ein paar Schuhe. Ahnte er, dass sein Bruder jahrelang durch diesen Flur gelaufen war, nachts, barfuß, weil er woanders nicht schlafen konnte?
    Wir kamen in den Schlafraum. Ich ging

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