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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Körper, ihre Hände.
    Er kam zurück.
    »Théo war früher mal in sie verliebt«, sagte ich und zeigte auf die Näherin .

    »Woher weißt du das?«
    »Es ist nur … Wie er sie ansieht, ihren Namen ausspricht … Kennst du sie gut?«
    »Nicht besonders … Ich habe die Skulptur von ihr gemacht, das ist alles.«
    Er zeriss die Verpackung der Zigarettenstange, nahm eine Schachtel heraus und warf den Rest auf den Tisch.
    »Immerhin hat er eine andere geheiratet, dein Verliebter!«
    »Ja, ich weiß. Trotzdem glaube ich, dass er Nan liebte.«
    Ich ging um die Näherin herum.
    »Wie erklärst du dir, dass die Mutter im Dorf bei Lili wohnt und er ganz allein in seiner Hütte?«
    »Keine Ahnung. Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Als ich gehört habe, dass eine Alte im Dorf Leichentücher näht, habe ich gewusst, dass das ein Motiv für mich sein könnte. Ansonsten … Sie weiß nicht mal, dass ich die Skulptur gemacht habe.«
    Er strich mit der Hand über die Gipsschulter.
    »Wenn ich sterbe, will ich, dass man mich hier ganz allein zwischen meinen Skulpturen verwesen lässt. Ohne Leichentuch und alles.«
    Wir verließen das Atelier.
    Draußen war es schön. Die Kühe standen auf der Weide nahe beim Weg. Sie trampelten mit ihren Hufen im Schlamm herum. Wir rauchten und sahen ihnen beim Kauen zu. Ein Auto fuhr vorbei.
    »Sie sollten nicht so in ihrer Scheiße herumtrampeln«, sagte ich.
    »Natürlich sollten sie nicht …«
    Morgane stieg aus dem Auto, holte ihre Ratte und gesellte sich zu uns.
    »Was beredet ihr beiden denn hier?«

    »Wir sprachen über Kühe …«
    »Und was habt ihr gesagt?«
    »Dass sie in ihrer Scheiße rumtrampeln und dass sie das nicht tun sollten.«
    Sie nickte. Vor unseren Füßen zirpte eine Grille. Morgane bückte sich, um sie im Gras zu suchen.
    »Sie hat Glück, dass Max nicht da ist.«
    Morgane sah mich an.
    »Max glaubt, dass Grillen, die zirpen, bevor die Sonne untergegangen ist, Bastarde sind … Und weil Bastarde schlecht für die Fortpflanzung sind, zertrampelt er sie.«
    Sie stand auf und nahm Raphaël die Zigarette aus der Hand. Sie schmiegte sich an ihn. Es war seltsam für mich, sie so vertraut miteinander zu sehen. Fast peinlich manchmal. Waren sie einander so nah, weil sie aus demselben Bauch geboren waren?
    »Wusstest du, dass Théo der Liebhaber der alten Nan war?«, fragte Raphaël.
    Morgane zuckte die Schultern. Es war ihr völlig egal.
    Sie streckte die Hand nach meinem Fernglas aus.
    »Darf ich mal?«
    Es war ein Fernglas mit sehr starker Vergrößerung, ein Geschenk meiner Kollegen, als ich die Universität verlassen hatte. Morgane stellte die Entfernung ein, durchsuchte die Gegend vom Semaphor bis zum Dorf und von dort bis zu den Häusern von La Roche. Dann zeigte sie mit dem Finger auf die Straße über La Valette.
    »Offene Jacke, Pullover mit rundem Ausschnitt … Gar nicht oder schlecht rasiert … Er ist immer noch da.«
    Sie senkte das Fernglas ein bisschen, nicht viel.
    »Was gefällt dir so an ihm?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass er mir gefällt.«

    Sie spähte noch einmal durchs Fernglas.
    »Schwere Lippen, ziemlich traurige Augen … Irgendwie komisch … Was glaubst du, was er da macht? Oh, es sieht so aus, als hätte er uns entdeckt.«
    »Gib her, Morgane!«
    »Keine Panik! Er kann uns nicht sehen, wir sind zu weit weg. Außerdem hat er sich einfach nur zum Meer gedreht, und wir liegen in der Blickachse, das ist alles.«
    Auf der anderen Seite des Zauns bewegten die Kühe die Köpfe, als ob auch sie in seine Richtung sehen würden.
    Kurz darauf stand Lambert am Ufer und versuchte einen Kasten an Land zu holen, der auf dem Wasser schwamm. Es war ein Cellokasten, der seit dem Morgen dort getrieben hatte und schon fast untergegangen war. Die Sonne berührte das Meer. Die Wellenkämme schienen zu brennen.
    Max kam auf uns zu.
    »Glaubst du, es ist seiner?«, fragte er. Er meinte den Kasten.
    Raphaël schüttelte den Kopf.
    »Nein.«
    »Woher weißt du das?«
    »Dann würde er es mit mehr Inbrunst versuchen.«
    »Was ist Inbrunst?«
    »Inbrunst … Leidenschaft, Lust, Max.«
    Lust kannte Max. Er fuhr mit dem Finger über seine Zähne und sah Morgane an.
    Der Kasten schwankte hin und her.
    Lambert berührte ihn, bekam ihn aber nicht zu fassen.
    »Das sollte er nicht tun«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Keine Ahnung … Das ist doch komisch, ein Cellokasten, der einfach so auf dem Wasser treibt … Vielleicht liegt eine Leiche drin.«

    »Zu

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