Die Brandungswelle
stand auf der anderen Seite des Zauns. Sie verfolgte jede Bewegung, das Messer, der Apfel, die Schale. Bis zu den Kernen, die er entfernte. Er gab ihr ein Viertel, dann noch eins und noch eins, und schließlich das letzte Viertel, klappte sein Messer zusammen und schlug den Weg zum Semaphor ein.
Er ging langsam. Manchmal blieb er stehen, betrachtete die Steine, die Wiesen, als hätte er Erinnerungen an diesen Weg. Ich folgte ihm eine Weile mit dem Fernglas, überlegte dann, ob ich zu ihm gehen sollte. Mit ihm sprechen. Ihn fragen, woran er denke. Ich hatte ihn schon an anderen Orten gesehen, ebenso beobachtend, aufmerksam. Ich weiß nicht, was er gesagt hätte, wenn ich zu ihm gegangen wäre, auch nicht, ob er sich darüber gefreut hätte.
Ich schaute auf den Hof und dachte mir, dass die große Kastanie, die dort wuchs, sicher bald riesige Blüten tragen würde.
M organe bohrte die Zinken ihrer Gabel in ein Stück Kartoffel. Sie hob den Kopf und zeigte auf Lamberts Haus. Einige Fensterläden standen offen.
»Ich hab ihn gesehen, er ist zum Leuchtturm gegangen, am Semaphor vorbei. Er hat das Gestrüpp in seinem Garten ausgerissen.«
»Spionierst du ihm nach?«, fragte ich.
Sie wiegte den Kopf. Ihre Lider waren schwarz geschminkt, eine dicke Schicht, die ihre Augen brennen ließ.
»Nein … Aber ich langweile mich.«
Sie verzog das Gesicht.
»Langweilst du dich etwa nicht?«
Auch ich langweilte mich. Es kam sogar vor, dass ich genug hatte von den Vögeln und dem Wind. Genug davon, hier zu sein bei diesem ständigen ohrenbetäubenden Rauschen. Genug davon, Eier und Nester zu zählen.
Morgane spielte mit dem Essen auf ihrem Teller, sie hielt die Gabel mit den Fingerspitzen. Ihre Nägel waren rot lackiert. In der Mitte jedes Nagels klebte eine kleine schwarze Perle. Wenn sie die Finger bewegte, tanzten die Perlen.
Ich sah sie an. Stärker als die Langeweile war das Fehlen.
Manchmal schrie ich auf der Steilküste. Ich schrie nach dir,
nach dem Leben. Du warst zu gegenwärtig. Der Schmerz musste raus. Ich hatte nach La Hague gewollt, um mich von dir zu lösen. In Avignon, unsere Cafés, unsere Straßen … Ich hatte dich überall gesehen. Sogar in der Wohnung. Die letzten Nächte hatte ich nicht mehr dort schlafen können, ich war ins Hotel gegangen.
Morgane schob ihren Teller weg.
Die Ratte lief an ihrem Arm herunter, blieb mit ausgestreckten Krallen stehen.
Lili deckte gerade die Tische, sie wartete auf Mittagskunden. Sie warf einen Blick auf die Ratte. Und dann nach draußen, weil ein Auto auf der anderen Straßenseite hielt. Ein Mann und eine Frau stiegen aus und sahen sich das Haus an. Sie blickten auch nach ganz oben, auf das Dach, das Dachfenster. Dann öffneten sie das Tor und durchquerten den Garten.
Lili holte den Korb mit den karierten Servietten der Stammgäste hervor. Für die anderen Gäste hatten sie Papierservietten.
Als Erster betrat ein Fischer das Lokal; er hatte sein Kochgeschirr dabei, bestellte einen kleinen Krug Wein und steuerte auf einen Tisch hinten im Saal zu. Er wollte im Warmen essen. Lili ließ ihn gewähren. Sie ließ ihn auch rauchen, so wie alle. Sie schimpfte nur, wenn die Zigaretten nicht in den Aschenbechern ausgedrückt wurden.
Endlich waren alle gegangen, Morgane, die Fischer.
»Fünf Minuten«, sagte Lili und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
Sie warf mir einen kurzen Blick zu. Nicht erstaunt, dass ich noch da war, sie war es gewohnt. Ich hing rum, ohne zu wissen, wie lange es dauern konnte.
Lilis Tisch, ein Resopaltisch mit sechs Beinen, in die Ecke neben dem Tresen geschoben. Sie stapelte darauf ihre Rechnungen, ihre Kataloge, La Redoute , 3 Suisses …
Sie griff sich einen der Kataloge und blätterte darin. Den Bleistift zwischen die Zähne geklemmt, den Kopf auf eine Hand gestützt, fing sie an, einen Bestellschein auszufüllen.
»Sie geben alle Rabatt …«
Die Mutter schlummerte vor dem Fernseher. Sie schnarchte leise. Das Auto stand immer noch auf der anderen Straßenseite. Das Paar ging im Dorf spazieren.
»Viskose, magst du Viskose? Schwitzt man da nicht drin?«
Ich hatte keine Ahnung. Meine Sachen waren alle aus Baumwolle.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich.
Ich las weiter die Zeitung.
Die Fensterläden in der oberen Etage standen offen. Lambert musste noch im Haus sein. Vielleicht wartete er darauf, dass das Paar zurückkam.
Lili drehte mir den Rücken zu, beugte sich über ihre Bestellung, ich hörte, wie sie etwas schrieb, wie sie
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