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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Menschen gekommen, da sein Gefieder Feuer gefangen hat … Der rote Fleck, den sie auf dem Kropf haben, legt noch heute Zeugnis davon ab. Hat man Ihnen das in der Schule nie erzählt?«
    »Nein, aber ich habe andere Dinge gelernt. Ich weiß zum
Beispiel, dass im wahren Leben niemand der Sonne das Feuer stiehlt.«
    »Und was glauben Sie, was die Menschen unternommen haben, um es zu bekommen?«
    Ich sah ihn an. Ich wusste nicht, ob er mir gefiel.
    »Sie haben auf Steine geschlagen oder Stöcke gerieben. Wenn sie Glück hatten, konnten sie das Feuer eines Blitzes nutzen.«
    Er drehte sich zu mir um.
    »Wie lange sind Sie schon in La Hague?«
    »Seit September.«
    »Wann gehen Sie wieder?«
    »Ich weiß es nicht.
    »Aber … Sie gehen doch?«
    Ich antwortete nicht.
    Das machte ihn einen Moment nachdenklich. Wir erreichten den Hafen, die Straße endete hier – etwas Asphalt, der Parkplatz und das Meer. Wir liefen an den Booten entlang.
    Ich fragte ihn, ob es im Morvand auch so schön sei wie hier, und er sagte, es sei vielleicht noch schöner.
    Dann schaute er lange aufs Meer.
    »Woher wissen Sie, dass ich im Morvand lebe?«
    Er fragte es mit ruhiger Stimme, und ich merkte, dass ich rot wurde. Er sah mich belustigt an. Ich konnte ihm doch nicht sagen, dass Morgane in seinen Taschen gewühlt hatte. Also stammelte ich etwas.
    Dann zeigte er zum Gasthof.
    »Gehen wir was trinken?«
    Drinnen war Licht, aber der Wirt schenkte nie vor elf Uhr aus, das stand an der Scheibe.
    Ich sagte es ihm.
    Er ging zur Tür.
    »Wir können es doch mal versuchen.«

D er Wirt war da, er saß am Tisch und las Zeitung. Als wir reinkamen, schaute er kurz auf und steckte dann die Nase wieder in seinen Artikel.
    Lambert wählte einen Tisch am Fenster. Er zog seine Jacke aus. Ich stand immer noch an der Tür.
    Der Wirt rührte sich nicht.
    Lambert winkte mich heran, und ich ging zu ihm. Es war warm, gemütlich. Draußen war es windig. Man sah die Boote schaukeln.
    Wir sprachen vom Morvand. Er sagte, dort gebe es Schnee, manchmal so viel, dass er das Gefühl habe begraben zu werden. Das gefiel ihm. Es gefiel ihm auch, Zug zu fahren, egal wohin, sich auf Bahnhöfen rumzutreiben und den Menschen beim Leben zuzusehen.
    Ich sagte ihm, dass ich mein Zimmer grün streichen würde, und holte die Karte raus.
    »Das ist ein besonderes Grün … Das Hopper-Grün.«
    Wir sprachen weiter über Schnee. Und dann von Paris. Er war noch nie im Louvre gewesen, er sagte, Museen würden ihn langweilen.
    Wir schauten raus. Es war ein nebliger Tag. Fischer hatten ihre Angeln ausgeworfen.

    »Ich habe Sie gesehen, als Sie dort rumgelaufen sind«, sagte ich.
    Er nickte. Gerade wollte er noch etwas sagen, da ließ der Wirt die Hand auf die Zeitung fallen.
    »Diese gottverdammten Araber, das ist doch unglaublich!«
    Er ließ die Zeitung aufgeschlagen auf dem Tisch liegen und kam zu uns.
    »Was wollt ihr haben?«
    »Wein … Krabben, Brot, Butter … Guten Wein«, betonte Lambert, und der Wirt konterte: »Was anderes gibt es hier nicht.«
    Er brachte uns die Gläser, die Krabben, das Brot, alles, was Lambert bestellt hatte, stellte er auf den Tisch.
    Dann kehrte er zu seinem Artikel zurück.
    Lambert füllte die Gläser.
    Wir tranken.
    Wir pulten Krabben. Sie waren frisch, am Morgen gefangen, festes Fleisch. Wir schälten sie. Ich biss in die erste. Ein kräftiger Jodgeschmack erfüllte meinen Mund.
    Wir sahen uns an. Wir sagten nichts. Wir aßen Butter und Brot dazu.
    Und den Wein hinterher.
    »Es ist wirklich einsam hier«, sagte er.
    »Weil heute nicht Sonntag ist. Sonntags ist es hier belebt. Die Leute kommen aus Paris, um das Meer zu sehen.«
    »Dann muss ich mal sonntags hierher … Welcher Tag ist heute ?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste es nicht. Wir aßen weiter unsere Krabben.
    »Gestern war das Meer heller«, sagte ich.
    Es war blöd, das zu sagen.
    Ich sagte manchmal so sinnlose Sätze. Als ich dich zum ersten Mal getroffen habe, standen wir auf einem Platz. Ich musste los,
hatte vier Stunden im Auto vor mir und war ein bisschen unruhig. Na los, umarmen wir uns!, habe ich zu dir gesagt. Am ersten Parkplatz hielt ich an und überzeugte mich, dass ich deine Adresse in der Tasche hatte. Am Abend habe ich dir geschrieben.
    »Das liegt am Nebel«, erklärte ich, »da sieht man die Oberfläche nicht mehr.«
    Lambert sah mich an. In ihm schlummerte eine brutale Zärtlichkeit, eine ungelenke Verführungskraft. Seine Bewegungen waren langsam. Seine Augen

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