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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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lächelte, leicht, als wagte er es nicht.
    Nan stand bei den Eseln. Sie streichelte sie. Ab und zu drehte sie sich um und strahlte Lambert an.
    Er sah woandershin, in die Leere, in den Raum über dem Meer, dieser Ort, der nicht Himmel und nicht Wasser war.

E r blieb an der Böschung sitzen und beobachtete die Esel, die Trommel auf dem Schoß.
    Ich ging nach Hause.
    Mir war kalt. Ich brauchte einen Kaffee. Im Garten traf ich Morgane, sie war gerade im Begriff loszugehen, ein zusammengerolltes Handtuch lag um ihre Schultern. Sie ging baden, aber nicht irgendwohin, sondern zum Leuchtturm. Manchmal machte sie das. Sie sagte, dort zu baden sei nicht gefährlicher als anderswo. Es sei auch nicht kälter, und außerdem kenne sie kein Woanders.
    »Bloß kein Wort zu Raphaël …«
    In der Sonne breitete sie das Handtuch aus. Sie trug ihren schwarzen Badeanzug. Dann lief sie bis ans Meer und trat mit den Füßen in die ersten Wellen. Mit der Hand schöpfte sie mehrmals kaltes Wasser und machte ihren Nacken nass. Die Tropfen flossen über ihren Rücken Schließlich wagte sie sich noch weiter ins Wasser, dann tauchte sie ein. Sie schwamm mit kräftigen Zügen, schnell und gut. Sie schwamm weit hinaus, als hätte sie beschlossen, das Meer zu durchqueren. Ich setzte mich auf die Felsen, neben ihr Handtuch, und wartete auf sie.
    In den feuchten Sand zeichnete ich mit dem Finger eine Trommel. Darüber malte ich die Form einer Sonne. Ich hätte gern gewusst,
ob es noch andere Spielsachen gab, irgendwo, bei Nan oder in der Zuflucht , Spielsachen, die Paul gehört hatten oder Lambert. Ich dachte wieder an Lambert, an seinen ganz besonderen Blick, als er begriff, dass es die Trommel seines Bruders war.
    Als Max kam, hörte ich auf, darüber nachzudenken. Er hatte Angst um Morgane, und diese Angst machte ihn rasend. Er war außerstande, sich zu setzen, im Gehen drosch er mit den Füßen auf den Boden ein. Er war böse auf sie. Irgendwann zertrampelte er meine Zeichnung. Dabei war es nicht das erste Mal, dass er Morgane zur Strömung hinausschwimmen sah.
    Schließlich kam Morgane aus dem Wasser. Sie blutete, ein kleiner Kratzer am Knie, den sie sich an einem Felsen geholt hatte, und dann floss noch anderes Blut, an der Innenseite ihres Schenkels. Max starrte auf die rote Spur, den gewundenen Weg auf der milchweißen Haut.
    Morgane setzte sich neben mich. Die Kälte hatte ihr die Luft genommen, sie atmete mit Mühe.
    »Ich kenne das Meer hier in- und auswendig. Ich könnte mit verbundenen Augen schwimmen, wenn es sein müsste.«
    Ihre Haut war blau, so durchgefroren war sie. Sie zeigte mir ihre Hände.
    »Ich berühre die Strömung. Ich spüre den Moment, in dem ich sie streife. Es fühlt sich an wie eine große Eismauer, die quer durchs Meer geht.«
    Auch ihre Lippen waren blau. Sie kümmerte sich nicht um Max. Von der Mole herab sahen ihr die Fischer zu. Sie wusste es. Es war ihr egal. Sie kannte das Meer so gut wie sie. Besser als sie. Sie kannte es von innen.
    »Was passiert, wenn du die Mauer durchbrichst?«
    Sie antwortete nicht.
    Sie lächelte und rollte den Kopf zwischen den Schultern. Ihr
Körper zitterte unter dem Handtuch. Sie sah aufs Meer, das Kinn in den Händen.
    »Ich hab sieben Jahre mit einem Typen zusammengelebt. Das war gut … Ich weiß noch, dass er mal seinen Namen auf meinen Rücken geschrieben hat, zwischen meine Schulterblätter. Mit der Zunge.«
    Sie ließ das Handtuch herunterrutschen, als könnte die Spur noch da sein.
    Sie wollte mir die Stelle zeigen.
    »Berühr mal meinen Rücken …«
    Ich berührte ihn.
    »Sein Verlangen fehlt mir.«
    »Warum habt ihr euch getrennt?«
    »Wegen nichts … Eines Tages haben wir uns angesehen und liebten uns nicht mehr.«
    Sie richtete sich auf und fing an, ihr Haar mit den Fingern zu entwirren.
    »Sieben Jahre, das war schon gut«, sagte sie.
    Ihre Haare waren nass. Wasser tropfte auf ihren Rücken. Sie drehte sich um.
    »Die Sieben trifft man immerzu, ist dir das schon mal aufgefallen? Die sieben Todsünden, die sieben Weltwunder, die sieben Zwerge von Schneewittchen …«
    »Sieben auf einen Streich!«
    »Man muss siebenmal die Zunge im Mund herumdrehen, ehe man spricht.«
    Sie überlegte einen Moment, dann schaute sie zum Himmel.
    »Sieben Jahre Unglück! Die sieben Leben einer Katze.«
    »Siebenmeilenstiefel.«
    »Die sieben Wochentage.«
    »Die sieben Tugenden. Siebenbürgen.«
    »Was ist das, Siebenbürgen?«

    »Eine Region in Rumänien.«
    Sie nahm Sand in die

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